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Noomi Anyanwu kämpft gegen Diskriminierung: "Das Schlimmste ist, nichts zu tun"

Noomi Anyanwu ist die Initiatorin des Black-Voices-Volksbegehrens in Österreich. Darin wird ein nationaler Aktionsplan gegen Diskriminierung in den Bereichen Arbeitsmarkt, Bildung, Gesundheit, Polizei, Flucht und Migration, Öffentlichkeit und Repräsentation gefordert. Die "Junge Seite" hat sich mit Anyanwu zum Gespräch getroffen.

Was verbinden Sie mit den Begriffen Fufu und Schnitzel? Noomi Anyanwu: Viele Erinnerungen! Fufu habe ich immer zu Hause gegessen, wenn die ganze Familie zusammen war, deshalb verbinde ich damit Gemeinschaft und glückliche Erlebnisse. Das Wiener Schnitzel muss man als Wienerin halt mögen, es ist nicht mein Lieblingsessen, aber etwas, das immer geht. Beide Speisen stellen für mich gewisse Teile meiner Identität dar - meinen nigerianischen Background und mein wienerisches Dasein.

Was bedeutet es, anders zu sein in Österreich? Vieles davon habe ich festgehalten im Buch "Das ,andere' Österreich" von Farid Hafez. Anderssein ist vor allem etwas, zu dem du konstruiert wirst von der Dominanzgesellschaft, in meinem Fall von der weißen Dominanzgesellschaft. Für mich hat es lange gedauert herauszufinden, was Anderssein bedeutet, und zu merken, dass es per se nicht schlecht ist, nur weil es von anderen als schlecht bewertet wird. Man muss es für sich selbst definieren und als etwas Besonderes sehen.

Kommt es auch durch dieses Anderssein zu Rassismus? Ja, in einer Definition von Rassismus, die ich sehr sinnvoll finde, heißt es, dass es dabei um Unterschiede geht zwischen verschiedenen Menschengruppen, und wie diese gewertet werden. Die Wertung erfolgt dann darin, dass eine Gruppe besser-, die andere schlechtergestellt ist. Das beschreibt einen Teil von Rassismus für mich sehr gut.

Wie äußert sich denn Rassismus generell in Österreich? Auf ganz viele verschiedene Arten und Weisen. In Österreich haben wir mittlerweile ein relativ gutes Bild davon, wie Alltagsrassismus aussieht, aber was ich glaube, wo Österreich noch seine Verantwortung wegschiebt, ist der strukturelle Rassismus. Die Verantwortung eines Rechtsstaats ist ja auch, diesen aufzuarbeiten und nicht zuzulassen. Mit dieser Motivation haben wir dann auch das Volksbegehren gegründet.

Reicht es denn heute, nicht rassistisch zu sein? Auf keinen Fall, ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass es mittlerweile auch recht peinlich ist, wenn man sagt, man engagiert sich nicht. Natürlich ist es auch eine Frage der Ressourcen, wenn man nicht kann, dann kann man nicht. Aber zu sagen "Ich wusste nicht, dass es Rassismus gibt" ist eine Ausrede, die kann man nicht mehr bringen. Nach Black Lives Matter und den steigenden Zahlen des antimuslimischen Rassismus kann man sich nicht mehr rausnehmen aus der Diskussion. Das Schlimmste ist, nichts zu tun, denn still sitzen hat noch nie geholfen.

Bild: SN/sn
Das Schlimmste ist, nichts zu tun.
Noomi Anyanwu, Initiatorin des Black-Voices-Volksbegehrens.

Wie ist man antirassistisch? Indem man etwas macht, indem man nicht zulässt, dass Ungerechtigkeiten normalisiert werden und dass Opfer von Rassismus nicht alleingelassen werden. Ein praktisches Beispiel für antirassistisches Verhalten ist, wenn man in den Öffis einen rassistischen Angriff mitkriegt und die Betroffenen schützt. Man muss sich nicht in einen Faustkampf werfen, aber wichtig ist, den Opfern das Gefühl zu geben, dass sie nicht allein sind. Um antirassistisch zu handeln, kann man sich aber auch in Organisationen engagieren oder finanzielle Ressourcen teilen.

Das Black-Voices-Volksbegehren ist ja ein Anti-Rassismus-Volksbegehren, was sind die Forderungen? Im Großen und Ganzen ist unsere Vision ein nationaler Aktionsplan gegen Rassismus. Dieser ist eigentlich schon vor 21 Jahren bei der Weltkonferenz gegen Rassismus auf EU-Ebene beschlossen worden. Aber bis dato haben wir nichts davon gesehen, deshalb haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, einen solchen Entwurf zu erstellen. Dieser reicht schon von der Bildung, wie man lernt, antirassistisch zu sein, bis hin zu transparenteren Bewerbungsprozessen. Laut Zahlen wissen wir, dass sich eine Frau mit Kopftuch vier bis fünf Mal öfter bewerben muss, um zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden, es ist ganz dringend, dass wir da was tun. Aber alle anderen Forderungen kann man sonst nachlesen auf unserer Website blackvoices.at

Wie ist es dazu gekommen, Black Voices ins Leben zu rufen? Nach den Black-Lives-Matter-Demonstrationen in Österreich, vor allem der Kundgebung in Wien, welche die größte der letzten 17 Jahre war in Wien, haben wir beobachtet, dass viel Bedarf da war, weiterzureden - etwa zum Thema Polizeigewalt, aber auch in vielen anderen Bereichen. Andererseits haben wir auch beobachtet, dass medial viel darüber gesprochen wurde, nicht nur oberflächlich, sondern wirklich auch strukturell. Man hat Expertinnen eingeladen, die selbst von Rassismus betroffen waren. So wollten wir auch konkrete politische Forderungen stellen, deshalb war das Format des Volksbegehrens sinnvoll für uns.

Wie kann man das Black-Voices-Volksbegehren unterstützen und bis wann? Bis zum 6. Mai kann man das Volksbegehren noch unterstützen, entweder per Handy-Signatur oder in jedem Gemeindeamt oder Bezirksamt unterschreiben. Es werden 100.000 Unterschriften gebraucht, um den Aktionsplan im Parlament zu besprechen und um ein Stück weit in eine antirassistischere Gesellschaft zu kommen.



Stefan Garic
ist 19 Jahre, kommt aus Wörschach (Steiermark) und besucht die Maturaklasse der HLW Wolfgangsee.


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