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So wird Schokolade bei US-Wahlen eingesetzt

Was Abstimmungswillige bei den Wahlen zum Bürgermeister von Los Angeles erlebten.

Kathrin Pilz

Das Wohnzimmer und Foyer der privaten Residenz auf 1601 Stone Canyon Road sind ihr Wahllokal", stand auf meiner Informationsbroschüre, die den Haushalten in Bel Air für die Bürgermeisterwahl zugeschickt worden waren. Mein Navigationssystem hatte Schwierigkeiten, die kleine in den Hügeln versteckte Villa zu finden, deren Eingangstüre weit offen stand. Drei unterbeschäftigte Wahlhelferinnen begrüßten mich enthusiastisch, als ich zögernd eintrat. Die gebrechliche Hausbesitzerin bot mir Schokolade an. Es schien ihr nichts auszumachen, dass man ihr Haus mit Wahlurnen vollgestellt hatte.

Aber es ging auch gemütlich zu. Insgesamt waren erst 50 Wähler vorbeigekommen, obwohl das Wahllokal bereits acht Stunden offen hatte. Man bat mich in die Küche und bot mir nochmals Schokolade an. Ich wurde nach meinem Namen, aber nicht nach einem Ausweis gefragt. Wie schon bei den Präsidentschaftswahlen war wieder niemand daran interessiert, meine Identität zu verifizieren.

Zwischen Porzellanfiguren und Plüschtieren gab ich also meine Stimme für diverse Wählerinitiativen sowie für den mir geeignet scheinenden Bürgermeisterkandidaten ab. Der Improvisationscharakter, der diesem Urnengang anhaftete, ließ mich auch noch nach fast zwei Jahrzehnten in Los Angeles einen gewissen Kulturschock verspüren.

Doch das System scheint zu funktionieren, und wir haben seit dieser Woche einen brandneuen Bürgermeister: Eric Garcetti.

Der Demokrat repräsentiert in vielerlei Hinsicht den amerikanischen Traum. Sein Großvater, Salvador Garcetti, war ein mexikanischer Immigrant, der im unterpriviligierten Boyle Heights residierte und ständig mit dem Gesetz im Konflikt geriet. Doch bereits Eric Garcettis Vater, Gil Garcetti, hatte es zum Staatsanwalt gebracht. Eric Garcetti ist jüngster Bürgermeister von L. A.

Der 42-jährige ist einer dieser Menschen, die fast zu perfekt sind: Er sieht gut aus, besitzt jungen, "hippen" Charme, ist extrem gebildet und spricht mehrere Sprachen. Außerdem ist er Jazz-Pianist und führte während einer Wahlveranstaltung sogar sein Break-Dance-Können vor.

Garcetti erhielt 54% der Wählerstimmen. Das klingt nach eindeutiger Mehrheit und klarem Mandat. Doch haben gerade 24% der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Für Garcetti stimmten also nur etwas mehr als 13% der Wahlberechtigten.

Vielleicht hat das damit zu tun, dass der Bürgermeister in Los Angeles relativ wenig zu sagen hat. Anders als in New York, wo das Amt von Bürgermeister Michael Blomberg mit extrem viel Macht ausgestattet ist, bestimmt und entscheidet hier das "City Council" (der Stadtrat).

Bei den jüngsten Präsidentschaftswahlen sah es mit der Wahlbeteiligung in L. A. besser aus. Es wurde allerdings auch nicht in plüschigen Hinterzimmern alter Damen gewählt sondern in öffentlichen Gebäuden. 54% der Wahlberechtigten ließen sich damals zur Urne locken. Und das ganz ohne Schokolade.