Letzten Donnerstag nahm ich an einem "Fundraiser" für den Kindergarten meiner Tochter teil. Die Eltern, die zu einer kleinen Wanderung mit anschließendem Brunch eingeladen hatten, sind Mitbegründer von MySpace und hatten das soziale Netzwerk 2005 um 580 Millionen an Rupert Murdoch verkauft. Dementsprechend ausladend und luxuriös ist die Villa mit Pool, Tennisplatz und Skateboardground, in der sie residieren. Die einstündige Wanderung fand auf dem riesengroßen Privatgrund statt, der mit freiem Auge nicht zu überblicken war.
Am gleichen Tag hatte ich in Downtown zu tun und konnte mich nicht dem Anblick unzähliger Obdachloser entziehen, die auf dem Gehsteig der Skid Row unter Pappkartons hausen. Megareich und bitterarm liegt in Los Angeles so offensichtlich und so nah beieinander, dass es wenig überrascht, dass Kids, die an L. A.s privilegierter Westside aufwachsen, von den Lehrern immer wieder daran erinnert werden, dass sie die moralische Verpflichtung haben, zu teilen und zur eigenen "Community" beizutragen.
Zum Alltag jedes Schulkindes hier gehören Sammelaktionen jeglicher Art sowie freiwilliges soziales Engagement. Ob die Kids im Rahmen von "Heal the Bay" (Heile die Bucht) an L. A.s Stränden ausschwärmen um Blechbüchsen, Plastik und anderen Müll einzusammeln, ob sie "Care packages" für Obdachlose in Downtown zusammenschnüren oder Bücher für die Kinder sozial schwächerer Gruppen spenden - die Kids lernen hier schon in der Volksschule, dass man nicht nur nehmen kann, sondern auch geben muss. Monetär - oder in Form persönlichen Engagements.
Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass Amerikaner auch im Erwachsenenalter eine ganz andere Einstellung zum Spenden und zur Volunteer-Arbeit haben als Österreicher oder Deutsche.
Geben gehört hier einfach zum Leben. Man spendet nicht nur für Erdbebenopfer in entlegenen Ländern, sondern unterstützt auch den unmittelbaren sozialen Kreis. Gibt es zum Beispiel Zuwachs in einer Familie aus dem Kindergarten meiner Tochter, wird sofort zu einer Aktion aufgerufen, die es den anderen Eltern ermöglicht, warme Mahlzeiten zu spendieren, die der Familie die ersten Wochen mit dem Baby erleichtern.
Wer die richtige Community zum Spenden noch nicht gefunden hat, muss nur die neue Beilage des "L. A. Magazine" aufschlagen. In dem Heft mit dem schwarzen Cover und der weißen Aufschrift "L. A. Datebook 2013" finden sich ungezählte Walks, Lunches, Dinners und Partys für gute Zwecke.
