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Benachteiligt, ausgeschlossen und in Zukunft auch gefährdet?

Günstigere Fahrscheine und mehr Informationen, die gibt es immer öfter nur noch über das Internet. Menschen, die es nicht nutzen, haben das Nachsehen.

Thomas Hofbauer

Da stand sie in ihrer ganzen Pracht, die neue Waschmaschine. Bald würde die frisch gewaschene Wäsche mit ihr um die Wette strahlen, nur noch kurz die Bedienungsanleitung gelesen . . . doch wo war die nun wieder versteckt? Wurde sie bei der Lieferung vergessen? Ein mickriger Zettel mit Bildern war das Einzige, was neben einer Probepackung Waschmittel noch an Zubehör geliefert worden war. Auf dem Zettel war in dicken Lettern eine Internetadresse abgedruckt. Die meisten Bedienungsanleitungen werden ohnehin nicht gelesen. Diesen Umstand dürften sich immer mehr Hersteller zunutze machen, um Kosten zu sparen. Sollen sich die Kunden die Anleitungen doch selbst ausdrucken. Aber was ist mit jenen, die das nicht können, weil sie keinen Internetanschluss haben oder mit der Eingabe der Seriennummer auf der Internetseite des Herstellers und dem Herunterladen und Ausdrucken des Dokuments überfordert sind? Bleiben die als hilflose Bittsteller übrig?

Wenn man einen Zugfahrschein nicht über das Internet oder am Automaten, sondern am Schalter kauft, bekommt man mit der Vorteilscard der ÖBB nur 45 statt 50 Prozent Rabatt. Wer Bankgeschäfte nicht selbst erledigt, sondern die Hilfe eines Bankangestellten in Anspruch nimmt, zahlt meistens eine höhere Bearbeitungsgebühr. Und in Zukunft heißt es womöglich auch bei Medikamenten: Zu Risiken und Nebenwirkungen googeln Sie im Internet oder fragen Sie Ihre Tochter oder Ihren Enkel - ob die das für Sie tun können. Effizienz und Kostensenkung gut und schön, aber auch da muss es Grenzen geben. Klar, acht von zehn Haushalten haben einen Internetanschluss. Aber zwei von zehn Haushalten haben keinen, und es geht nicht an, dass diese Menschen immer öfter benachteiligt oder gar ausgeschlossen werden. Doch der Trend geht noch weiter.

Smartphones sind sehr praktische Helferlein, sie bestimmen zunehmend den Alltag in Österreich. Über 80 Prozent der Jugendlichen haben eines und über 60 Prozent aller Österreicher. Mit ihnen hat man das Internet immer mit dabei. Zudem haben sie noch jede Menge Sensoren eingebaut. Die machen sie zu echten Alleskönnern. Wer zum Beispiel in ein Flugzeug steigt, trifft immer häufiger auf Menschen, die ihre Bordkarte nicht am Schalter abgeholt haben, sondern über ein eigenes Programm der Fluggesellschaft direkt auf ihrem Mobiltelefon angezeigt bekommen. Gebucht haben sie auch nicht im Reisebüro, sondern ebenfalls über das Handy, und zum Einchecken mussten sie sich nicht einmal in der Schlange hinten anstellen. Das Smartphone hat das für sie erledigt.

Die Anwendungen für Smartphones sind mittlerweile so vielfältig, dass sie den Audioguide im Museum, die Fernbedienung für das Auto oder medizinische Geräte ersetzen können. Je mehr Smartphones im Umlauf sind, desto häufiger werden sie auch "verlangt" werden, um bestimmte Dienste in Anspruch nehmen zu können. Wer keines hat, wird ausgeschlossen, muss Abstriche in Kauf nehmen oder muss sich eine Leistung teurer erkaufen.

Kritisch wird es dann, wenn davon ausgegangen wird, dass ohnehin jeder ein Handy bei sich trägt. Zum Beispiel, um einen Notruf abzusetzen. Immer mehr öffentliche Telefonzellen verschwinden. Vielleicht kommt man bald auf die Idee, auch die Notrufsäulen an der Autobahn abzubauen. Doch damit nicht genug.

Derzeit wird von der Automobilindustrie ein Verfahren entwickelt, das Fußgänger und Radfahrer anhand ihres Handys erkennen soll, auch wenn sie von einem großen Hindernis verdeckt werden. Das Auto sendet Signale aus, das Handy antwortet und der Bordcomputer im Auto berechnet, ob es zu einer Kollision kommen könnte. Wenn ja, macht das Auto eine automatische Vollbremsung. Sollte sich diese Technik verbreiten, könnte sie auch dazu führen, dass sich zu viele Autofahrer darauf verlassen und unvorsichtig werden. Tragische Unfälle wären die Folge, weil es immer einen kleinen Prozentsatz von Menschen gibt, die eine Technik nicht nutzen können oder wollen und deshalb kein Handy mit sich führen.

Was im Straßenverkehr immer gelten wird, gilt daher auch beim Einsatz des Internets oder von Smartphones: Immer die Augen offen halten und nicht auf jene vergessen, die bei einer neuen Technik nicht mitmachen. Dass wir uns nur allzu schnell an die Vorteile von Technik gewöhnen, beweist nicht zuletzt die Anekdote über den Anruf bei einer Computer-Hotline: Der Grund war, dass der Internetanschluss nicht funktionierte, er sollte repariert werden. Die Antwort des Menschen am anderen Ende der Leitung: "Wir nehmen keine telefonischen Anfragen entgegen. Schreiben Sie uns doch bitte ein E-Mail." In diesem Sinne: wachsam bleiben!