Die Leere im Kopf herrscht meist vor der Leere im Geldbörsl. Denn beim Schenken verhält es sich doch so: Entweder hat man eine Idee oder man gibt viel Geld für teure Geschenke aus. Der Mangel an Fantasie wird oft durch Wucher kompensiert. Da schenkt man dann ein noch teureres Handy, eine Kamera mit noch mehr Megapixel oder einen noch größeren Fernseher, damit der Beschenkte auch sicher am Wert des Geschenks die Zuneigung ablesen kann. Ideal ist das nicht, denn jeder weiß, dass ein Geschenk nicht unbedingt groß und wertvoll sein muss. Es muss nur perfekt zum Beschenkten passen.
Wie man so eines findet? Es wäre ganz einfach, man müsste sich nur in den Beschenkten hineinfühlen. Hilfreich wäre, wenn man bei den oft belanglosen Unterhaltungen doch besser achtgegeben hätte, die kleinen Wünsche herausgehört und die versteckten Leidenschaften registriert hätte. Doch dazu müsste man sich Zeit nehmen, Zeit, die man nicht hat. Weil man zu beschäftigt ist und entweder noch Überstunden machen muss, um sich die teuren Weihnachtsgeschenke leisten zu können. Oder weil man schon auf dem Weg ins Einkaufszentrum ist, um die Geschenke zu kaufen, die man sich dank der Überstunden leisten kann.
Diese eine zündende Idee müsste man haben, dann wäre das Schenken ganz einfach. Auch in einer Zeit, in der jeder alles hat. Denn es gibt kein schöneres Geschenk als etwas, das der Beschenkte für sich noch nicht, aber dafür ein anderer für ihn entdeckt hat - eine richtige Überraschung.
Wenn man diese Idee dann hätte, würde sie als Geschenk nicht auch schon reichen? Würde es nicht auch genügen, einem Freund zu verraten, dass es auf WDR 5 eine Sendung mit dem Namen "Spaß 5" gibt und von dieser Sendung wiederum einen Podcast im Internet? Würde es als Geschenk genügen, dass diese Sendung genau seinen Kabarettgeschmack trifft und ihm der Podcast auf seinem Smartphone ein lieber Begleiter für die nächsten Jahre wäre, an dem er sich jede Woche freuen könnte? Würde so etwas als Geschenk durchgehen, weil es doch eigentlich alles hat, was ein Geschenk haben muss: Man hat sich eingehend mit dem Beschenkten auseinandergesetzt, seine persönlichen Vorlieben erkundet und schließlich die zündende Idee gehabt. Und wenn diese Idee ein Geschenk sein kann, wie soll man so ein Geschenk denn überhaupt verpacken?
Vermutlich gar nicht, denn wir sind durch und durch materielle Wesen. Wenn wir etwas verschenken, dann muss es etwas zum Angreifen sein. Etwas Greifbares, das auch einen gewissen Wert darstellt. Gutscheinmünzen, Geschenkkarten oder Bargeld gelten als letzter Ausweg. Geschenke mit Wert, aber ohne Idee.
Ist folglich eine Idee ohne bezifferbaren Wert tatsächlich eine wertlose Idee?
Das Nicht-verschenken-Können einer Idee hat vermutlich die gleichen, im Materiellen verhafteten Wurzeln wie unser ambivalentes Verhältnis zum Urheberrecht.
Wer hätte kein Problem damit, in einen Plattenladen zu gehen und dort eine CD mitgehen zu lassen, um sie dann zu verschenken? Das ist doch ganz klar Diebstahl. Aber die gleiche CD nicht zwei Mal, sondern nur ein Mal zu kaufen, um sie zu verschenken und vorher eine Kopie für sich selbst zu machen: Was ist das? Üblich?
Ist ja kein direkter materieller Schaden dadurch entstanden, kann man einwenden. Und doch hat man durch das Kopieren der CD die Musik gewordenen Ideen eines Künstlers geklaut, der davon lebt, dass er seine Ideen anderen verkauft.
Es wäre ja auch eine unangenehme Vorstellung, wenn man nach stundenlangem und hirnzermarterndem Überlegen endlich einen Einfall hatte und dann klaut einem die eigene Schwester die Idee zum perfekten Geschenk für die Erbtante. Da hätte sie doch gleich auch das Geschenk mitgehen lassen können.
In der Zeit vor Weihnachten wird vielen erst bewusst, welcher Wert, welche Anstrengung und wie viel Zeit hinter einer guten Idee stecken. Dieses Bewusstsein und diese Wertschätzung sollten wir uns erhalten, bis wir das nächste Mal vor der Entscheidung stehen, Filme, Musik oder E-Books zu kopieren oder doch zu kaufen. Als Geschenk machen selbst gebrannte CDs ohnehin wenig her.
Darum ist die Zeit des Schenkens eine gute Gelegenheit, einmal an die zu denken, die von ihren Ideen leben müssen. Um schließlich das Weihnachtsfest zu genießen und froh zu sein, dass man selbst nicht das ganze Jahr von guten Ideen abhängig ist.

