Es ist zwölf Jahre her. Tagelang saßen wir damals auf Nadeln. Das ist in der Weihnachtszeit zwar nicht ungewöhnlich, wenn der Christbaum geschnitten wurde, als der Mond ungünstig war. Auch Kinder sitzen vor den Feiertagen gelegentlich auf Nadeln, wenn sie die Bescherung nicht erwarten können. Aber auch das war nicht der Grund, warum bei uns das Unbehagen groß war: Wir hatten uns schlicht dazu hinreißen lassen, ein für unsere Tochter wichtiges Weihnachtsgeschenk in einem Internetshop zu bestellen.
Was wir bestellten, klingt nicht besonders: Es war ein Sortiment Buntstifte. Doch es waren keine gewöhnlichen, sondern besonders dicke, kinderfeste, deren Mine auch nach hundert Mal runterfallen im Inneren nicht bricht. Das junge Zeichengenie sollte seiner Kreativität freien Lauf lassen können.
Tag für Tag warteten wir auf das Paket. Zum Frühstück des 24. stellten wir uns das letzte Mal die quälende Frage: Wird der Paketbriefträger heute kommen? Und wird der die Buntstifte dabeihaben? Wir beschlossen, kein Risiko einzugehen. Was dann passierte, war eines weihnachtlichen Actionfilms würdig. Ich setzte mich ins Auto und fuhr alle Ortschaften ab. Straße für Straße auf der Jagd nach einem gelben Postauto. In einer Seitengasse wurde ich fündig. Ich stellte den Briefträger, lockte ihm das Päckchen heraus und kehrte triumphierend heim.
Die Verwerfungen im weihnachtlichen Gefüge waren dennoch nicht unerheblich. Das Mittagessen am 24. zu spät begonnen, hat dies enorme Auswirkungen auf den pünktlichen Beginn des Nachmittagskaffees, der wiederum den rechtzeitigen Gang zur Kindermette infrage stellt u. s. w. Nicht auszudenken, wenn ich erst in die Stadt hätte fahren müssen, um ein Ersatzgeschenk zu besorgen. Damals zeigte sich, dass einem weihnachtliche Sorgen auch dann nicht erspart bleiben, wenn man online das passende Geschenk gefunden und bestellt hat.
In diesem Jahr ereilte uns die schicksalhafte Buntstiftbestellung ein zweites Mal. Die Künstlerin ist mittlerweile erwachsen, die Wünsche sind entsprechend: Aquarellstifte, aber ganz bestimmte. Im Internet waren sie rasch gefunden, ihre Qualität wurde dort vollmundig gelobt. Doch bestellen sollte man diese feinen und filigranen Dinger für Künstlerhände online nicht. Sie könnten beim Transport im Inneren zerbrechen.
So sitze ich wie vor zwölf Jahren im Auto und hetze auf der Suche nach den erlesenen (bzw. ergoogelten) Malsachen von einem Geschäft zum anderen. Doch was im Internet angepriesen wurde, hat der niedergelassene Handel nicht auf Lager. So wurde mir bei der neuerlichen Jagd nach Buntstiften eines klar: Eine Suche im Internet führt nicht immer zu einer Lösung, sondern manchmal auch an den Anfang eines Problems.

