Mein Europa

Verliebt in Europa

Hermann Fröschl

Zarte 16. Das erste Mal Interrail. Das erste Mal Rucksack packen. Die erste große Reise - ohne
Eltern, aber voller Pickel und Sehnsüchte. In Salzburg steigen wir in den Zug. Der Plan, möglichst schnell nach Paris zu kommen, ist vor München verworfen. Ab ins Hofbräuhaus! Zwei Schweden sitzen an unserem Tisch, die - so ein Zufall - auf dem Weg in den Pinzgau sind. Viel Bier, viel Spaß, viel Zusammenrücken. Bevor wir uns verabschieden, schreiben wir ein paar Zettel - mit Adressen im Pinzgau, die sie ansteuern sollten.

Dann sitzen wir wieder im Zug. Saugen die Freiheit auf, die grenzenlosen Möglichkeiten. Paris? Kann warten! Wir wollen ans Meer. Und stranden am Abend an der französisch-spanischen Grenze. Der Grenzübergang ist - ja, Sie ahnen es vielleicht - dicht. Doch aufregen kann sich darüber niemand. Da schlendern junge Menschen in der Bahnhofshalle umher. Coole Menschen, tolle Typen. Einfach nur aufregend für einen 16-Jährigen, der erstmals aus seiner kleinen Pinzgauer Welt ausgezogen ist.

Am Morgen geht es weiter nach Spanien. Endlich Meer. Endlich Strand. Endlich Strandbar. Wir legen unsere Rucksäcke in den Sand und bestellen - Sangria! Ja, es stimmt: auch das eine Premiere. Süffig, so leicht zu trinken. Alkohol? Nichts zu spüren. Glaube ich zumindest.

Wir sitzen mit einigen Mädels am Strand. Buntes Europa: zwei Deutsche, eine Spanierin, zwei Französinnen. Wir haben uns so viel zu sagen, obwohl wir uns nicht wirklich verstehen. Die Nacht ist vielversprechend - und endet doch so jäh: Lärm, Maschinen, Arbeiter! Es ist vier Uhr früh - und ich fühle mich an Pistenraupen erinnert. So werden in Spanien also die Strände gereinigt.

Wenn ich mich heute daran erinnere, muss ich schmunzeln. Und denke mir angesichts der so verkopften, seelenlosen Debatten über Europa, dominiert von Bürokratie, Richtlinien und Quoten: Steigt doch in den nächsten Zug. Fahrt los! Saugt die Freiheit auf. Und entdeckt es endlich wieder: dieses pure, pralle, vielfältige, wunderbare Europa.

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