Das Eck rechts oben wird gern als der prominenteste Platz bezeichnet, den eine Zeitung zu vergeben hat. Es ist gute Tradition der "Salzburger Nachrichten", diesen Ort unseren Leserinnen und Lesern für Gedanken zu einem ganz bestimmten Thema einzuräumen. Das ist ein Zeichen dafür, wie wichtig sie für uns sind. Und wie ernst wir sie nehmen. Wir Journalisten bereiten zum Auftakt einer Aktion einige Beiträge vor, stehen dann aber gern zurück, um der SN-Gemeinschaft den Vorrang zu geben.
Seit 1. Juli haben wir das Eck rechts oben dem Thema Europa gewidmet. Österreichs EU-Vorsitz war Anlass für das Gemeinschaftsvorhaben von Lesern und Journalisten. Es war eines unserer erfolgreichsten Beteiligungsprojekte. Das - bei aller notwendigen Kritik - grundsätzlich positive Bekenntnis zur Europäischen Union ist gut angekommen und hat viele Menschen zum Mitmachen bewegt.
Heute beginnen wir die Aktion "Mein Weihnachten". Bis zum Heiligen Abend erzählen wir hier an diesem Platz die schönsten, persönlichsten Weihnachtsgeschichten, die wir erlebt haben. Wir wollen aufzeigen, was uns Weihnachten wirklich bedeutet, was wir uns ganz besonders wünschen oder was wir an dem Drumherum ganz und gar nicht mögen.
Ich möchte heute mit meinem Weihnachten in Kindertagen beginnen. Ich bin mit vier Geschwistern in einem Tiroler Wirtshaus aufgewachsen. Zu Weihnachten herrschte bereits Wintersaison. Am Heiligen Abend war das Haus voll mit Gästen aus Deutschland, den Niederlanden und England. An Privatsphäre war nicht zu denken. Das störte uns Kinder nicht. Im Gegenteil. Viele Gäste, die wir damals noch "Fremde" nannten, hatten uns sogar Geschenke mitgebracht.
Meine Mutter ging mit der Räucherpfanne durch die Gaststuben. Viele Touristen verstanden den alten Brauch nicht, bekamen sogleich einen Hustenanfall und glaubten, meine Mutter wolle sie ausräuchern. Regelmäßig führte eine Mischung aus Weihnachtsmelancholie und fortgeschrittenem Alkoholkonsum bei manchen Gästen zu friedlichen Tränen fern der Heimat. Meine Eltern haben auch am Abend des
24. Dezember gearbeitet. Für uns Kinder war das völlig normal. Wir haben uns darüber gefreut, dass wir Weihnachten mit so vielen Menschen aus vielen Ländern feiern durften.