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Steuerreform spätzt oder jeter, das ist hier die Frage

Eines ist klar: Am Ende dieser Debatte wird es später als jetzt sein.

Alexander Purger


Politik besteht - zumal in einer Großen Koalition - im Austragen von Meinungsverschiedenheiten. Das Thema, um das es geht, spielt an sich keine Rolle. Es sollte nach Tunlichkeit so gewählt werden, dass es a) das p.t. Publikum interessiert und b) den Wissensstand der Diskutanten nicht überbeansprucht.

Zum Beispiel wäre es von SPÖ und ÖVP relativ ungeschickt, jetzt über die Gültigkeit oder Nicht-Gültigkeit der vier Grundrechnungsarten zu debattieren. Enorme Ausgaben für externe Berater wären die Folge, und dieses Geld haben wir derzeit einfach nicht.

Nein, das nunmehrige Thema ist viel geschickter gewählt: Steuerreform jetzt oder später? - Da kann jeder ohne besondere Vorkenntnisse mitreden, die Grundrechnungsarten spielen keine Rolle, und überdies zielt die Frage unmittelbar in die Hand- und Hosentaschen der Bevölkerung, stößt dort also auf reges Interesse. Daher wird jetzt debattiert, was das Zeug hält. Der Eröffnungszug der SPÖ bestand in einem "Jetzt" täglich, die ÖVP konterte mit einem "Später" pro Tag. Die SPÖ erhöhte auf drei "Jetzt" täglich, die ÖVP zog nach.

Die ganze ÖVP? Nein. Sobald die SPÖ etwas drei Mal pro Tag sagt, stimmen in der ÖVP alle, die schon lange nicht mehr in der Zeitung standen oder auf den Parteichef bös' sind, der SPÖ zu. Aktuell halten wir SPÖ-seits bei sieben "Jetzt" täglich, während auf ÖVP-Seite fünf "Später" und zwei "Jetzt" pro Tag zu verzeichnen sind. Ausgenommen sonntags.

Nun zur Opposition und den Medien. Die Opposition sieht sich vor die Notwendigkeit gestellt, sich sowohl von "Jetzt" als auch von "Später" abzugrenzen und erfindet daher die neue Position "Schon längst". Der ORF erfüllt seinen Bildungsauftrag mit der Parteisekretäre-Diskussion "Jetzt oder später?", die mit dem befriedigenden Ergebnis endet, dass es am Ende der Debatte später ist als jetzt.

Die objektive Wirtschaftswissenschaft bringt glasklare wissenschaftliche Beweise für "Jetzt" bzw. "Später" bei und zeiht die Vertreter der jeweiligen Gegenseite, sie seien weltfremde "Jetzt"-Fantasten bzw. bezahlte Büttel des "Später". Streng wissenschaftlich.

Nach wochenlangem Nachdenken äußert sich auch der Herr Bundespräsident und tritt eindeutig für "Spätzt" ein. Die ÖVP wirft ihm daraufhin unverhohlene Parteinahme für die SPÖ vor, woraufhin der Bundespräsident verlauten lässt, er sei von den Medien missverstanden worden und habe sich doch ganz klar für "Jeter" ausgesprochen.

Die Diskussion endet, wie jede Diskussion innerhalb der Großen Koalition endet. Es wird eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die im jetzigen Später eine Lösung für ein späteres Jetzt ausarbeitet. Und damit zum nächsten Thema.