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Andre Heller schmückt den "Rosenkavalier" in Berlin

Andre Hellers "Wien! Wien!" für das Berliner Staatsopernpublikum: Unter den Linden gibt es "Rosenkavalier"-Folklore deluxe. Die erste Opernregie des Künstlers und Impresarios ist ganz und gar "deco". Dank einer herausragenden Besetzung gab es bei der Premiere am Sonntagabend dennoch viel Zustimmung - rund um Heller selbst lieferte man sich wahre Buh- und Jubelgefechte.

Die erste Opernregie von Andre Heller

Spätestens als neben seinem Beethovenfries auch Gustav Klimt höchstpersönlich, samt Emilie Flöge im Schlepptau, seine Aufwartung im Hause Faninal macht, erinnert man sich wieder: Für Andre Heller ist over the top gerade mal der Anfang. Natürlich hat er sich, gemeinsam mit seinem österreichischen Kreativ-Team aus Künstlerin Xenia Hausner (Bühnenbild) und Modeschöpfer Arthur Arbesser (Kostüme), ins Wien der Jahrhundertwende fantasiert und schwelgt dort in Japonismus, Art deco und orientalischem Palmengarten. Unverschämter Ästhet, der er ist, sucht er in der großen, melancholischen Strauss-Oper nichts als das Schöne und begnügt sich, wenn er es gefunden hat, mit seiner andächtigen Betrachtung.

Die Folge ist recht viel Stehtheater, geschmückt statt erzählt. Dass das nicht sehr schnell langweilig wird, hat vor allem mit dem wahren Luxus dieser "Rosenkavalier"-Produktion zu tun: Mit Camilla Nylund als Marschallin, Günther Groissböck als Ochs, Nadine Sierra als Sophie und Michele Losier als Octavian ist eine herausragende Besetzung am Werk und das kräftige, fein aufeinander abgestimmte Panorama ihrer Stimmen wird von Zubin Mehta am Pult der Staatskapelle ideal zur Geltung gebracht. Geschmackvoll, schlank und anschmiegsam tönt es aus dem Graben, wunderbare Bläsersoli hinterlassen bleibende Eindrücke.

Camilla Nylund sieht toll aus in Arthur Arbessers Kreationen, und sie ist eine hinreißende Marschallin, warmherzig und distinguiert, die Stimme immer nobel und voll geführt. Heller behandelt die Marschallin mit viel Respekt, sie ist ihm nicht tragische Figur, sondern Schirmherrin, während er Octavian und Sophie fast noch Kinder sein lässt. Michele Losier bewältigt den vielschattierten Octavian mit fröhlicher Quirligkeit, Nadine Sierra bereichert ihre wenig differenziert inszenierte Sophie um ihren golden resonierenden Sopran. Als Ochs brilliert Groissböck, Gravitationszentrum des Ensembles, derb und doch nicht ohne Charme, mit einer Stimme, die der Kraft eines Ochsen tatsächlich würdig ist.

Es sind allesamt Sänger, die auch dann etwas mit sich anzufangen wissen, wenn man ihnen nichts zu tun gegeben hat. Sie füllen den schönen, schönen Rahmen randvoll mit ihrer Präsenz und gut ist. Schwieriger wird es, wenn Chor und Komparsen dazukommen: Im ersten Akt gelingen Heller starke Momente, wenn das japanisch dekorierte Schlafgemach der Fürstin sich zur zirkushaften Wunderkammer wandelt, im zweiten und dritten Akt stehen Diener, Gäste und Musikanten dagegen als peinliche Staffage herum. Vor allem aber machen sich gegen Ende des fast fünfstündigen Abends dann doch gewisse Lähmungserscheinungen bemerkbar, vom langen Innehalten im Tableau vivant. Gegen eingeschlafene Gliedmaßen empfiehlt sich Applaus oder Buhgeschrei. Funktioniert beides.

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