Investigative Satire boomt. Florian Scheuba ist gleichermaßen Aufdecker und Kabarettist. Die Bühne wird zum Platz für Wahrheiten, die sonst gern vergessen werden. Der 52-jährige Scheuba übernimmt die Rolle als Aufklärer und Pointenlieferant auch in seinem zweiten Soloprogramm "Folgen Sie mir auffällig" gern. Premiere ist heute, Dienstag, in Wien, am 1. März gastiert Scheuba in Salzburg.
Herr Scheuba, in Ihrem zweiten Soloprogramm werden Sie sehr persönlich, vor allem in der Frage, welche Information man noch glauben kann und welche Rolle man auf einer Bühne einnimmt. Warum ist Ihnen diese Frage so wichtig Scheuba: Es ist für mich die Motivation, ein Soloprogramm zu machen. Es muss persönlich sein und daher muss es auch die Grundfrage stellen, was da abläuft bei diesem seltsamen Ritual, dass sich jemand auf eine Kabarettbühne stellt und zu den Leuten spricht und gleichzeitig glaubt, dass das wichtig ist, was er sagt, und man dabei irgendwas bewirken kann.
Ist die Klärung dieser Rolle in Zeiten von Alternative News wichtiger denn je Das Kernthema ist für mich die Wahrheit. Und wenn ich mich auf eine Bühne stelle und darüber spreche, muss ich wahrhaftig sein. Es ist höchste Zeit, darüber zu reden, worauf wir uns einigen müssen, denn wenn wir das nicht schaffen, brauchen wir gar nicht reden.
Das wird schwierig, wenn - wie bei der Frage nach der Menge der Besucher bei der Inauguration von Donald Trump - nicht einmal ein Foto als Beweis dient Früher hätte man gesagt, dass jemand lügt. Und jetzt soll es da plötzlich einen Spielraum geben, eine Alternative? Das ist doch irre. Beim Vergleich der Fotos der Angelobung von Trump und Obama war jedem klar, was er sieht. Im Programm zitiere ich eine Umfrage unter Trump-Wählern, bei der jeder siebente sagt, er sehe bei Trump mehr Menschen. Da ist bei mir Schluss. Dafür muss man kein Verständnis aufbringen. Da will ich nicht sagen müssen, dass man diese Ansicht auch verstehen muss. Es gibt Punkte, an denen klar sein muss: Zum Erdkern bohren wir nach unten und nicht nach oben. Es gibt keine andere Wahrheit.
Es verschwimmt halt alles Das ist die Ausgangslage für das Programm. Die Wahrheit wird immer ungreifbarer. Leute basteln sich ihre Wirklichkeit selber zusammen. Und es gibt immer weniger Verbindliches. Leute sagen einem, dass sie etwas nicht glauben, auch wenn es dafür unwiderlegbare Beweise gibt. Diese Haltung basiert nicht auf Fakten, sondern auf einem Weltbild, das alles ignoriert, was einem nicht in den Kram passt.
Wächst dadurch die Bedeutung der politischen Satire Sie war immer wichtig. Und für mich ist sie auch nicht etwas, das ich mir überstülpe. Ich erzähle auf der Bühne Dinge, die mich interessieren, die mich auch aufregen. Es ist mir ein Anliegen, auf der Bühne über Fakten zu sprechen und auch Aufklärung zu betreiben. Es gibt aber die Veränderung, dass etwa auch "Die Staatskünstler" immer öfter als Informationsquelle genutzt werden. In den USA dienen Satireformate im Fernsehen massiv als Informationsquelle, weil vieles in klassischen Medien nicht mehr auftaucht. Das ist sicher auch zweischneidig. Aber es ist ein Faktum. Mich hat das auch schon lang interessiert, die Bühne als Forum für politische Information zu nutzen.
Vergeht einem bei der Recherche nicht oft das Lachen? Manchmal ist es tatsächlich eine Herausforderung, die bittere Realität zu einer Pointe zu führen. Die Pointe ist aber dann eine Hookline, ein Refrain, der Sachen im Menschen verankert, die sonst gleich wieder vergessen sind. Ich bin da auch als Übersetzer tätig. Dinge, über die man gelacht hat, merkt man sich viel leichter. Denken Sie an den Satz: "Wo war mei Leistung?" Das haben alle verstanden. Und letztendlich ist das Kabarett auch eine Form der Notwehr.
Sie schlagen also zurück? Verbal. Wenn ich etwas ganz arg finde, fürchte ich mich in gewisser Weise ja auch davor. Das Lachen ist dann die stärkste Anti-Furcht-Maßnahme. Wenn ich das Lächerliche herausarbeite, dann tue ich das auch für meine eigene psychische Stabilität.
Wie steht es um das Pointenpotenzial in der neuen Regierung? Zum jetzigen Zeitpunkt ist da noch nicht viel zu sagen, weil viele in der Regierung unbeschriebene Blätter sind. Es gibt aber auch beschriebene, und die sind bedenklich - etwa der Innenminister Herbert Kickl und seine Machenschaften. Als er Teilhaber einer Werbeagentur in Kärnten war, gab es dort Scheinrechnungen und Zahlungen an die FPÖ. Dazu gibt es polizeilich anerkannte Zeugenaussagen. Als Abgeordneter hatte er Immunität, jetzt als Innenminister nicht mehr. Das gehört dringend aufgeklärt. Da wird das Kabarettprogramm zur Informationsquelle, in der es auch um aktuelle Politik geht.
Und der Bundeskanzler Kurz hat im Wahlkampf vor allem als Projektionsfläche funktioniert. Er hat geschickt vermieden, zu konkret zu werden. Viele Menschen haben mit dem diffusen Wunsch nach Veränderung abgestimmt. Da müssen wir schauen, was diese Veränderungen sind. Zum Beispiel beim Föderalismus, den ich im Programm auch aufgreife. Das schau ich mir an, wie der Kurz das machen wird.
Mangelt es dem Land denn ganz grundsätzlich an politischer Bildung Sicher ist auch, dass man ein paar Leute niemals erreichen wird. Die wollen in ihrem einfachen Weltbild leben, wo immer jemand für irgendetwas Schuld bekommen muss und wo alles, was an diesem einfach gestrickten Weltbild Zweifel aufwerfen könnte, total ignoriert wird.
Sie sprachen von der Bedeutung der Satire im US-Fernsehen. In Österreich hat der ORF die Satire mit dem Ende von "Die Staatskünstler", die Sie, Thomas Maurer und Robert Palfrader waren, quasi abgeschafft. Naja, die gab es vorher auch nur ein, zwei Mal im Jahr. Dass es jetzt - außer "Willkommen Österreich" - gar nichts mehr gibt, ist untragbar. Erst recht, wenn man gesetzlich verpflichtet ist, einen Kultur- und Bildungsauftrag zu erfüllen. Ich tue mich schwer, mich an die Spitze des Protests zu stellen, weil es dann heißt: Der will sein Leiberl retten mit den "Staatskünstlern". Aber als Staatsbürger ärgert mich das auch.