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"For Forest" in Klagenfurt - reine Natur trifft auf Stahl, Glas und Beton

Im Klagenfurter Wörthersee-Stadion kann ein Mischwald aus 299 Bäumen bestaunt werden. Die Kunstinstallation kommt zur rechten Zeit.

Stundenlang könnte man in diesen Wald sehen. Birken, Eichen, Föhren, Eschen, etwas Ahorn und einige Tannen vermengen sich zu einem klassischen Mischwald. Als Lichtung dient eine unberührte Rasenfläche. Je nach Position verändern sich Dichte und Textur, äußere Gestalt und innere Proportion. Die Sonneneinstrahlung beleuchtet dieses Stillleben auf natürliche Weise.

Der Künstler Max Peintner blickt ein wenig ungläubig in die Formation unterschiedlicher Nadel- und Laubbaumarten. Der gebürtige Tiroler Architekt hat 1970 eine ebenso erschreckende wie fesselnde Zukunftsvision mit Bleistift gezeichnet: "Die ungebrochene Anziehungskraft der Natur" zeigt ein gut gefülltes Fußballstadion in einer Großstadt, dessen Besucher gebannt auf ein Spielfeld voller Bäume blicken.

"Es war die Zeit des Waldsterbens", erinnert sich der 81-Jährige. "Ich hatte ein Bild vor Augen, wo die Reste der Natur wie im Zirkus ausgestellt sind."

Knapp fünfzig Jahre später ist diese düstere Vision Realität geworden. 299 Bäume mit einer Höhe von zehn bis vierzehn Metern wurden aus Baumschulen entpflanzt und zur Kunstinstallation "For Forest" zusammengefügt, die ab Samstag sieben Wochen lang in Klagenfurt zu sehen ist. Verantwortlich ist der Schweizer Künstler Klaus Littmann. Er habe vor rund 30 Jahren in Wien ein Buch von Max Peintner entdeckt, erzählt der Schüler von Joseph Beuys. "Ich war von diesen Zeichnungen fasziniert." Seither habe er eine geeignete Spielstätte für die Installation gesucht. Zufällig sei er auf das Wörthersee-Stadion gestoßen. "Es ist der ideale Ort", schwärmt Littmann vom "großartigen Kontrast zwischen Glas, Stahl, Beton und der Natur".

Dieses Waldstücks in dieser Riesenarena ist tatsächlich spektakulär. Am Mittwoch wurde die Kunstinstallation erstmals Medienvertretern präsentiert. Eine Hundertschaft an internationalen Journalisten reiste dafür nach Klagenfurt. Der "punktgenaue Zeitpunkt" des Projekts sei ihm "unheimlich", gesteht Klaus Littmann.

Die Klimadebatte, die weltweite "Fridays for Future"-Bewegung und die Brände am Amazonas: All das hat auch "For Forest" eine ungeahnte Außenwirkung verschafft.

Max Peintner sagt, er hätte das Projekt gern in einem "weißen Elefanten" umgesetzt gesehen. Zu diesen brachliegenden Riesenstadionbauten zählt jener in Manaus, das unweit des Amazonas für vier Spiele der WM 2014 errichtet wurde - und seitdem einzig von einem Drittligisten temporär genutzt wird.

Das Wörthersee-Stadion ist ein ähnliches Musterbeispiel für sportlichen Größenwahn: Für drei Spiele der Europameisterschaft 2008 gebaut, werden im 30.000-Zuschauer-Stadion aktuell nur die Heimspiele des Zweitligisten Austria Klagenfurt ausgetragen. Der Zuschauerschnitt betrug in der Vorsaison knapp über 1000. Außer vereinzelten internationalen Testspielen und einem bestenfalls für Córdoba-Nostalgiker bedeutungsvollen Länderspiel gegen Deutschland im Vorjahr konnten nur zwei Eishockey-Derbys zwischen Klagenfurt und Villach das Stadion füllen. Die Eisfläche, die damals im Winter ins Stadion gepresst wurde, rief weniger Kritiker auf den Plan als die Waldfläche der Kunstinstallation.

Dazu dürfte das Kuriosum beigetragen haben, dass sich der Wolfsberger AC aus dem Lavanttal überraschend für die Europa League qualifiziert hat - nun kann er wegen "For Forest" das nahe gelegene Wörthersee-Stadion nicht als Spielstätte nutzen sondern muss ausgerechnet in die Steiermark in die Merkur Arena des Ligakonkurrenten Sturm Graz ausweichen. Viele Kärntner machten ihrem Ärger darüber in sozialen Medien Luft.

Für die Kunstintervention sei bereits eine nachhaltige Nutzung gefunden, sagt der für die Umset-zung des Projekts verantwortliche Landschaftsarchitekt Enzo Enea im SN-Gespräch. "Die Bäume werden in der Nähe des Stadions fix verpflanzt." Klaus Littmann erläutert, er wünsche sich dazu einen Holzpavillon, im Idealfall vom befreundeten Schweizer Architekten Jacques Herzog konzipiert. Ein architektonisches Schmuckstück nach Plänen des Elbphilharmonie-Architekten in Klagenfurt? Das wäre ein künstlerisch wertvolles Stück Nachhaltigkeit über die Symbolwirkung des Kunstprojekts hinaus.

Kunstinstallation: "For Forest" aus 53 Birken, 30 Zitterpappeln, 27 Stieleichen, 27 Lärchen, 26 Waldföhren und weiteren 136 Bäumen,
Wörthersee-Stadion, Klagenfurt, täglich von 10-22 Uhr bei freiem Eintritt,
8. September bis 27. Oktober.

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Künstler Max Peintner und Initiator Klaus Littmann während der Presseführung zur Kunstinstallation 'For Forest' am Donnerstag, 5. September 2019, im Wörthersee-Stadion in Klagenfurt.
Künstler Max Peintner und Initiator Klaus Littmann während der Presseführung zur Kunstinstallation 'For Forest' am Donnerstag, 5. September 2019, im Wörthersee-Stadion in Klagenfurt.
„For Forest“ – Wald statt Fußball im Stadion.
„For Forest“ – Wald statt Fußball im Stadion.

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