Der Orient war im 19. Jahrhundert en vogue. Er diente als Projektionsfläche, verkörperte Exotik, Fremdes und Geheimnisvolles - Fantasien, die Eingang in Kunst und Kultur fanden. Angestoßen in den 1830er-Jahren von Reformjudentum-Vordenker Abraham Geiger, begannen Judentum-Wissenschafter das Judentum als etwas historisch Gewachsenes zu begreifen und machten sich auf, nach seinen Ursprüngen zu suchen. Die von Felicitas Heimann-Jelinek und Dinah Ehrenfreund kuratierte Ausstellung zeigt auf, dass jüdische Forscher, großteils aus dem wohlhabenden Bildungsbürgertum, in zahlreichen Disziplinen der Orientwissenschaften wichtige Erkenntnisse zu einer jüdisch-europäischen Suche nach den eigenen kulturellen Wurzeln beitrugen.
Jüdische Forscher auf der "Suche nach sich selbst"
Die Schau versammelt Objekte und ausgewählte Biografien Forschender, ein eigener Raum widmet sich ihren Schicksalen in der NS-Zeit. Ebenfalls nicht verschwiegen wird der koloniale Blick auf Land und Leute der damaligen Wissenschafter, die den eigenen Blick bestätigt sehen wollten und sich gerne als Orientalen kostümierten. Ehrenfreund sprach von einer "Aneignung", die man nicht beschönigen wolle. Die Schau konzentriere sich aber vor allem auf die Frage, warum jüdische Forscher die Teilhabe in der Wissenschaft und europäischen Kultur so sehr suchten. Einer der Hauptpunkte war für Heimann-Jelinek dabei die "Suche nach sich selbst" und der Wunsch, Stereotype unterlaufen zu wollen. Die Erkenntnis, dass es sich nicht um homogene kulturelle Räume, sondern um ein komplexes Netzwerk mit gemeinsamen Ursprüngen handelt, wurde im aufkommenden Nationalismus erstickt.
Und die Bibel hat doch recht
Wichtige Ansatzpunkte für die Forscher damals lieferte die Bibel, so interessierte man sich besonders für das Königreich Saba, den Tempel und die Fronarbeit der Semiten in Ägypten. Forschende wie der Orientreisende Simon von Geldern, David Heinrich Müller als Mitbegründer des Wiener Instituts für Orientalistik, der Kunstmäzen James Simon, Ludwig Borchardt als Ausgräber der weltbekannten Nofretete-Büste oder Max von Oppenheim prägten die Erforschung südarabischer und altorientalischer Sprachen, finanzierten Expeditionen, betrieben Ausgrabungen und wirkten an den Schnittstellen von Wissenschaft, Diplomatie und Geheimdienst.
Mit der Forschung einher sei die Beschäftigung mit dem arabischen Raum und dem Islam gegangen, so Loewy, beides sei zuvor vor allem von einer christlichen Interpretation bestimmt gewesen. Zugleich war die Tätigkeit der jüdischen Forscher ein Versuch, sich in die europäische Kultur einzuschreiben. Der Ursprung Europas liege im Orient, so Loewy mit Verweis auf die Entstehung arabischer Zahlen, monotheistischer Religionen und die Philosophie. Das Eigene im Fremden zu suchen, sei etwas, "das wir heute noch täglich tun sollten". Museen seien dafür der passende Ort. Die Schau wolle vor allem Fragen aufmachen. Nicht beantwortet wurde bei der Presseführung am Freitag übrigens jene, wer die Nachfolge des Museumsleiters antreten wird, der 2026 in Pension gehen wird.
(S E R V I C E - Ausstellung "Die Morgenländer. Jüdische Forscher und Abenteurer auf der Suche nach dem Eigenen im Fremden" von 16. November 2025 bis 4. Oktober 2026, Jüdisches Museum Hohenems - https://www.jm-hohenems.at)
(Quelle: APA)
