Die Bühne wird von einem Screen dominiert, auf dem eindreiviertel Stunden lang das in Schwarzweiß-Zeitlupe gefilmte Sterben einer Frau zu sehen ist. Dazu kontrastiert eine 14-köpfige Truppe aus Musikern und Tänzern mit arrangierten Passagen aus dem Mozart-Requiem, sehr gekonnt und wirkungsvoll mit Elementen afrikanischer Popmusik verknüpft, und bewegt sich dabei bravourös auf und zwischen schwarzen Quadern, die wiederum Assoziationen zum Berliner Holocaust-Denkmal evozieren.
Der Tod gilt als eines der letzten Tabus in unserer Gesellschaft. Platel geht von der Frage aus, ob der Blick auf Traditionen anderer Kulturen und Weltgegenden Lösungsvorschläge für einen unaufgeregteren Umgang mit dem Abschiednehmen bietet, ob wir unsere von Trauer geprägten Rituale überdenken und sie mit positiven Gedanken neu besetzen könnten und ob es möglich ist, das im Rahmen einer Performance auch mit einem Publikum zu teilen.
Die todkranke Frau hatte zugestimmt, bei ihrem Sterben gefilmt zu werden. Im Vorgespräch zur Aufführung war zu erfahren, dass sie Lucy hieß und eine engagierte, selbstbestimmte Feministin gewesen sei. "Requiem pour L." ist ihr gewidmet, zugleich ist es aber auch ein "Requiem pour elles" - für alle Frauen, für alle Menschen und generell für das Leben, wovon der Tod nur ein Teil ist - so lautet zumindest die kundgetane Prämisse. Doch worin besteht die Botschaft?
Gegen den Tod und die Trauer anzusingen und anzutanzen, zumal mit so viel Verve und Intensität, mag den Versuch wert sein, zugleich die Grenzen der Pietät auszuloten. Thomas Bernhards vielzitiertes Diktum aus der legendären Staatspreisrede 1968, wonach alles lächerlich sei, wenn man an den Tod denke, fällt einem dennoch unweigerlich ein. Nein, lächerlich ist dieser Abend nicht, wiewohl man sich naturgemäß als Zwangsvoyeur fühlt und den gar nicht so leisen Verdacht der letztlich doch kalkulierenden Betroffenheitsheischerei nicht ganz los wird.
Gerne hingegen übernimmt man den im Vorgespräch geäußerten Appell von Brigitte Fürle, künstlerische Leiterin des Festspielhauses, das Fest des Lebens zu feiern. Und das tut die Compagnie dann auch ausgiebig. Als Zuseher muss man sich allerdings entscheiden, ob man diesem so vitalen Geschehen beiwohnt oder - Wegschauen ist ja auch keine Lösung - dem synchron am Bildschirm dokumentierten Übergang ins Jenseits den Vorzug der Aufmerksamkeit gibt. Dieser Riss lässt sich eben offenbar doch nicht kitten, nicht auf der Bühne, nicht im sonstigen Leben.