Der Begriff Heimat ist allgegenwärtig. Eine Tatsache, der sich auch Crepaz bewusst ist. "Er wird im politischen Kontext sehr häufig und oft falsch verwendet", meinte sie. Das Osterfestival stelle sich in diesem Jahr gegen einen engen Heimatbegriff und gegen Heimattümelei. "Wir möchten mit dem Osterfestival diesen vielschichtigen und vieldeutigen Begriff anders betrachten", führte die künstlerische Leiterin aus.
Im Rahmen des Osterfestivals wird man die Heimat wohl im Plural denken müssen. "Es gibt nicht nur eine Heimat," sagte Crepaz dazu. Außerdem gebe es ja auch unter bekannten Künstlern das Phänomen des Nomadentums, eine Existenz ohne fixe Heimat und klaren Lebensmittelpunkt. Und nicht zuletzt auch die Vertriebenen, die auswandern mussten, wie etwa Arnold Schönberg. Am 6. April steht jedenfalls unter dem Titel "Heimatsuche - Emigration" unter anderem seine Musik auf dem Spielplan. "Manche haben nach der Auswanderung eine zweite Heimat gefunden, andere zerbrachen daran", merkte die Osterfestival-Leiterin in diesem Kontext an.
Neben der verlorenen und zum Teil wiedergefundenen Heimat wird auch die Frage nach einer erweiterten und veränderten Heimat verhandelt. Am 9. April kann man beispielsweise Werke der koreanischen Komponistin Younghi Pagh-Paa hören, die laut Crepaz "Einflüsse ihrer Kultur etwa durch Musikinstrumente oder durch das Tonsystem" einbringt.
Auch das Kunstereignis am 12. April mit der Theatergruppe Motus unter der Beteiligung der Great Jones Repertory Company aus New York lässt sich nicht mit einem einfachen Heimatbegriff fassen. "Die Beteiligten gehören verschiedenen Ethnien an und stammen aus verschiedenen Ländern", so Crepaz. Damit könne es gelingen, striktes "Kategorien- und Schubladendenken aufzubrechen", glaubte sie.
Auch ein weiterer Bestandteil von Heimat, die Tradition, ist in diesem Jahr abermals präsent. Da das Festival zu Ostern stattfindet, spielt auch Religion eine Rolle. Am Gründonnerstag, dem 18. April, gibt es beispielsweise Olivier Messiaen und seine "Visions de l'Amen" zu hören. Zwei Tage später steht am Karsamstag eine Trauermette mit Cantori Gregoriani Milano auf dem Programm.
Vorschläge für eine richtige Rezeptionsweise des Festivals und der Abende ließ Crepaz bei alldem offen. "Jeder Tag des Festivals steht für sich und alles ist gleichwertig", bemerkte sie. "Ich persönliche stelle mir das Festival als eine Art Mosaik vor, das jeder anders zusammensetzen kann", ergänzte sie. Offen blieb auch, was die jeweiligen Stücke und Werke exakt bewirken sollen. "Kunst soll nicht mit dem Zeigefinger und damit oberlehrerhaft daherkommen", meinte die Leiterin. "Es ist aber denkbar, dass man eine Form von Wahrheit in einem Stück oder Werk entdeckt, die einen dazu anregt sein Denken zu verändern", hoffte sie.