Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky macht Wien zum Schauplatz für einen internationalen Großstadtthriller.
Eine junge Taxifahrerin wird Zeugin eines Mordes. Der Serienkiller eröffnet die Jagd auf sie, doch mit Hilfe eines Polizisten dreht sie den Spieß um: Mit "Die Hölle" beweist Oscarpreisträger Stefan Ruzowitzky ein weiteres Mal, dass Kino mit internationalem Anspruch auch aus Österreich kommen kann. In den Hauptrollen: Die usbekisch-deutsche Newcomerin Violetta Schurawlow, und der alte Hase Tobias Moretti.
War es Ihre Idee, einen Großstadtthriller in
Wien zu inszenieren?
Nein, das ist Teil des Kreuzzuges des Produzenten Helmut Grasser,
der beweisen will, dass man auch hierzulande Genrefilme machen
kann. Er hat das ja auch schon ein paar Mal erfolgreich bewiesen,
mit "In 3 Tagen bist du tot" und "Finsteres Tal", und jetzt ist
eben der urbane Actionthriller dran. Ich halte das für ein
ehrenwertes Unterfangen, zu zeigen, dass man hier Genrekino auf
internationaler Augenhöhe machen kann, ohne den Zusatz, "für
Österreich eh ganz okay", weil ich es kulturpolitisch für schwierig
halte, wenn eine junge Generation mit dem Bewusstsein aufwächst:
Wenn man Spaß haben will im Kino, kriegt man den ausschließlich mit
Hollywoodfilmen.
Was reizt Sie am Genrefilm?
Sie haben viel mit kontrolliertem Regelbruch zu tun. Im Kunstfilm
gibt es keine Regeln, da gehst du als Zuschauer hinein und kriegst
einen völlig neuen Kosmos vorgesetzt. Im Genrefilm weißt du, hinter
der Mauer steht das Monster, weil es immer so steht. Und du
erschreckst dich, wenn es einmal anders ist. Und was mich noch
reizt: Film hat nach wie vor das Potenzial, wirklich die ganze
Gesellschaft zu erreichen und ist nicht nur für eine
bildungsbürgerliche Elite zugänglich, wie es bei anderen
Kunstformen der Fall ist.
In "Die Hölle" steht ein ungewöhnliches
Hauptdarstellerpaar im Zentrum : Die unbekannte Violetta Schurawlow
und Tobias Moretti. Wie kam's zu der Paarung?
Bei ihrer Rolle war mir klar, da gibt es im deutschsprachigen Raum
keine Stars, die das spielen können, da werden wir jemanden neu
finden und erfinden müssen. Sie ist mir gleich in der ersten
Castingrunde aufgefallen: Sie kann spielen, und sie schaut auch
noch gut aus, wenn sie dreckig, verschwitzt und voller blauer
Flecken ist. Und sie hat ein besonderes Charisma, einen
internationalen Look. Violetta war ein großer Glücksfall. Wenn die
Hauptrolle aber jemand Unbekannter ist, brauchst du natürlich ein
paar Diamanten in der Besetzung rundherum. Tobias Moretti hatte mir
ursprünglich gesagt, er findet das Projekt super, aber diese Figur
- das ist er nicht. Er hatte auch recht, ursprünglich war dieser
Polizist viel konventioneller und braver, aber wir haben die Rolle
dann umgeschrieben. Und was Tobias draus macht, ist sowieso
großartig.
Die große Entdeckung in dem Film ist aber
Friedrich von Thun, der sonst seit Jahren den soignierten Liebling
älterer Damen gibt. Hier spielt er den dementen Vater des
Polizisten, und demontiert sein Image konsequent bis in den
Verfall. Hatte er Spaß daran?
Man hört ja oft bei Interviews, dass irgendwelche berühmten
Schauspieler sagen, "Ach, ich würd' so gern mal alle Klischees
brechen!" - und dann schickt man denen ein Buch, und die sagen dann
"Was? Das ist aber unmöglich!" Da bin ich schon etwas vorsichtig
geworden. Aber Friedrich von Thun war wirklich bereit, unter hohen
Verlusten alle Klischees des altösterreichischen Grandseigneur zu
brechen, und er macht das großartig. Man könnte so eine Rolle ja
auch auf billige Lacher spielen, aber er ist eine tragische Figur
und manchmal auch wirklich unangenehm. Man kriegt das ja physisch
mit: Das ist nicht lustig, mit dem in einer Wohnung zu leben. Und
man bekommt aber Sympathie für die Figur. Er ist ein richtiges
Geschenk.
Hat sich Tobias Moretti nicht gesträubt,
dass er hier zum ersten Mal seit "Kommissar Rex" wieder mit einem
Schäferhund drehen musste?
Ich hatte einen alten, schwarzen Hund bestellt, so hatte ich mir
das vorgestellt. Dann hat der Tiertrainer gesagt, das einzige was
er mir anbieten kann, ist ein Schäferhund, und wenn ich unbedingt
einen alten Hund haben will, ist das auch klug, weil er nicht
garantieren kann, dass der bis zum Ende der Dreharbeiten noch lebt,
und ein Schäferhund ist relativ leicht auszutauschen. Es war dann
schon eine Sache, wie wir dem Tobias das erklären, aber er hat es
sportlich genommen. Wer das weiß, findet es dann natürlich lustig,
wie verächtlich er diesen Schäferhund im Film behandelt und ihn in
den Kofferraum sperrt, das waren alles seine Ideen. Das einzige,
worauf ich geachtet habe: Dass es ja keine Pressefotos gibt mit ihm
und dem Hund. Das hätte er wahrscheinlich nicht lustig
gefunden.
Film: Die Hölle. Thriller, Ö/D 2016. Regie: Stefan Ruzowitzky. Mit Violetta Schurawlow, Tobias Moretti, Friedrich von Thun. Start: 19.1.
Quelle: SN