Die österreichische Schauspielerin erzählt vom Für und Wider ewig jugendlicher Ausstrahlung und über ihren Vorsatz, nie mehr Theater zu spielen.
Seit Jänner steht sie als Geliebte eines jungen Mannes auf der Josefstädter Bühne. Und jetzt spielt sie eine verschmitzte, sexy Nebenrolle in der schwedischen Komödie "Der Hunderteinjährige, der seine Rechnung nicht bezahlte und verschwand": Die 90-jährige Erni Mangold hat zwar "vom Theater die Nase voll", aber das Leben werde trotzdem immer noch besser. Und falls doch nicht, fliegt sie nach Kuba.
Sie haben in diesem Film eine kleine, aber
markante Rolle. Was hat daran gereizt?
Mangold: Das ist eine Figur, die im Grund genommen als
junge Frau ein Hippie war, freie Liebe, freies Leben. Ich fand die
Figur sehr lustig.
War es seltsam, mit jemandem eine intime
Szene zu spielen, der seine 101 Jahre erst aufgeschminkt bekommt?
Ihr Filmpartner Robert Gustafsson ist ja erst 57.
Das hab ich erst dort erfahren. Ich habe gedacht, der wird so
wenigstens 65 sein. Aber er war sehr angenehm und nett zu mir. Er
hat sich ein bisserl als Star benommen, aber das kann ich
verstehen, der erste Film (die Romanverfilmung "Der Hundertjährige,
der aus dem Fenster steig und verschwand", 2014) hat ja einen
Batzen Erfolg gehabt.
Vor drei Jahren hatten Sie in "Der letzte
Tanz" Ihre erste Sexszene. Hier gibt es wieder eine, zugleich
spielen Sie in "Harold und Maude" auf der Bühne eine
Liebesgeschichte mit einem viel jüngeren Mann. Wie
kommt's?
Ja, das ist halt so. Anscheinend hat sich das bei mir im Alter
eingeschlichen und nicht in meiner Jugend. Da kann man nix machen,
die einen fangen mit Porno und mit Sexszenen an, wenn sie jung
sind, und ich fang halt erst damit an, wenn ich schon alt bin. Find
ich sehr g'spaßig.
Zu Ihrem 90. Geburtstag im Jänner wurde
Ihnen ewige Mädchenhaftigkeit attestiert, Sie werden von
Regisseuren immer wieder erotisch inszeniert. Offenbar reizen Sie
deren Fantasie immer noch.
Nicht nur offenbar, ich löse die Fantasien ja wirklich aus, weil
ich so bin. Ich bin halt noch in meinen Bewegungen und in meiner
Art verhältnismäßig jugendlich. Der Witz ist, ich lebe nicht nach
hinten, ich lebe nach vorn, und das hab ich immer gemacht.
Vielleicht ist es ein Blödsinn, was ich jetzt sage, aber es ist so:
Diese Wirkung, die ich jetzt noch habe, ist eine Wirkung, die ich
mit jungen Jahren ganz furchtbar hatte. Das hat mich damals sehr
unglücklich gemacht, weil ich wahnsinnig verfolgt wurde von den
Männern, und viele unangenehme Dinge erlebt habe. Aber dass ich
immer noch eine sinnliche Ausstrahlung habe - mein Gott, keine
Ahnung.
Von diesen Erfahrungen haben Sie in den
letzten Jahren immer wieder gesprochen.
Da lesen Sie mein Buch ("Lassen Sie mich in Ruhe", Anm.),
da rede ich darüber. Ich fand diese Zeit damals ganz schlimm, aber
ich hab es durchgestanden, mit Ach und Weh. Die Fünfziger und
Sechziger waren schrecklich, zugeknöpft und engstirnig und
moralisch völlig verkorkst, und hinter verschlossenen Türen ist
alles mögliche Grauenhafte gemacht worden . . . soll ich die ganze
G'schicht erzählen von den Fifties? Na, wirklich ned.
Dann sprechen wir über die Gegenwart. Sie
haben mit "Harold und Maude" eine große Rolle im Theater in der
Josefstadt angenommen.
Ja, ich spiel das bis 12. Dezember, 75 Aufführungen, dann ist es
aus, da mach ich dann kein Theater mehr. Ich hab die Nase voll, es
ist vorbei, es interessiert mich nicht mehr.
Warum dann noch einmal eine so große
Verpflichtung?
Das ist halt der Profi, liebe Frau, das scheinen Sie nicht zu
wissen. Man funktioniert. Und jetzt funktionier' ich noch bis 12.
12., und dann hör ich auf. Wenn man ein Superprofi ist, nach
siebzig Jahren, dann ist man ein anderes Kaliber. Da zu sagen, "Ich
hab ka Lust mehr, I kann ned", das ist nicht meins. Profi heißt,
man macht die Sache, oder man lässt sie. Und wenn man sie lässt,
macht man die Tür zu, wenn der Vertrag zu Ende gegangen ist.
Sie haben einmal gesagt, es wird im Leben
alles immer besser. Woran liegt das?
Na, weil ich sehr offen bin, weil ich mich um nix mehr . . . also,
ich bin schon eine Frau, die noch gekränkt werden kann. Aber die
Kränkungen sind nicht mehr so stark, weil ich mit keinem Mann mehr
liiert bin. Ich fühl mich jetzt, wo ich allein bin und so frei bin,
eigentlich wohl. Wenn du mit einem Mann liiert bist, können immer
wieder Kränkungen passieren. Ob du 19 bist oder 110, das ist da
total wurscht. Leider.
Für TV und für Kino ist die Tür aber noch
nicht zu?
Naja, das sind jeweils nur ein paar Tage, da hab ich keine
Schwierigkeit. Ich mag die Kamera sehr gern.
Wir haben vorhin von Ihrer Ausstrahlung
gesprochen. Gehört es zum Schauspielberuf, die eigene Wirkung
möglichst genau zu kennen?
Nein, da sind Sie ein bisserl am Holzweg. Man kann ur-ur-uralt
werden, und man weiß um seine Wirkung nur teilweise Bescheid. Man
fühlt es ein bisschen. Wenn ich jetzt zum Beispiel "Harold und
Maude" spiele, merke ich, weil ich einen sehr guten Partner habe,
dass meine Art auf ihn übergeht, und er auf mich reagiert. Aber auf
der anderen Seite merke ich, dass die Leute halt auch meine
sogenannte Jugendlichkeit schätzen. Obwohl ich überhaupt nicht
jugendlich tu.
Vielleicht ist es ja nicht das Jugendliche,
sondern das Mangold-hafte? In Sachen Autonomie sind Sie auch für
junge Frauen ein Vorbild.
Da müssen Sie gar nicht so viel dran arbeiten. Da müssen Sie nur
einen gewissen Charakter haben, und auch politisch eine klare
Stellung beziehen, bei all der Scheiße, die Sie umgibt. Das ist gar
nicht leicht, weil es umgibt uns sehr viel, inzwischen. Leider. Man
muss hellwach sein und klar schauen. Wie ich ganz jung war, war ich
nicht so hellwach. '45, als der Krieg aus war, hab ich hab ich mir
gedacht, "Jetzt kommen wir!" Und dann hab ich gemerkt, die ganzen
Nazis sind schon wieder da. Aber dann hab ich mir damals gedacht,
na, da kann man auch nix machen, jetzt muss ich halt einmal an mich
denken, und hab die Politik erst einmal sein lassen.
Und wie geht es Ihnen heute mit der
Politik?
Ich hab neulich mit Franz Schuh geredet, den ich sehr verehre, und
hab gesagt "Ich hab nie gedacht, dass ich das noch einmal erleb'".
Er hat gesagt, dass es jetzt überall extreme Gruppierungen gibt,
das sind zwar die selben Vorzeichen wie damals beim Hitler, als
diese Nazischeiße daherkam, aber er glaubt, dass es nicht so weit
kommt. Aber ich bin mir nicht so sicher. Man zittert jetzt schon,
dass die Marine Le Pen gewählt wird. Dann kannst du dein Flugzeug
nehmen. Und wohin willst du dann fliegen? Nach Kuba!
Film: Der Hunderteinjährige, der die Rechnung nicht bezahlte und verschwand. Komödie, Schweden 2016. Regie: Felix u. Måns Herngren. Mit Robert Gustafsson u. a. Start: 17. 3.
(SN)