Der "Trophäen-Buzz", das Getuschel über die Favoriten der heurigen Filmpreissaison, ist in Hollywood im Gange. Filmkritiker nennen ihre Wunschkandidaten, das Rätselraten um Gewinnchancen bei den Golden Globes und den Oscars kocht hoch. Spaß macht das in Coronazeiten mit Kinoschließungen und Hiobsbotschaften allerdings nicht.
In einem normalen Jahr wären die Golden-Globe-Nominierungen längst bekannt. Die Globe-Gala würde Anfang Jänner traditionell den Auftakt des Trophäenreigens einläuten, der mit der Oscarshow zwei Monate später seinen Höhepunkt feiern sollte. Diesmal ist alles anders. Dass 2021 zum Umdenken zwingt, ist den Preisverleihern seit der ersten Coronawelle klar. Im Juni zog die Oscarakademie die Reißleine: Die 93. Academy Awards wurden von Ende Februar auf Ende April 2021 verlegt. Der Aufschub sollte Filmemachern die Möglichkeit geben, ihre Projekte fertigzustellen. Statt bis Ende Dezember läuft die Frist für die Filmveröffentlichung jetzt bis Ende Februar. Die Nominierungen für Hollywoods wichtigsten Filmpreis sollen erst am 15. März verkündet werden.
Die Show solle live im Dolby Theatre über die Bühne gehen, in sicherer und feierlicher Weise, hieß es im Juni. Doch viele Fragen sind offen. Müssen Stars auf dem roten Teppich Masken tragen oder in dem Ballsaal mit 3400 Plätzen Abstand halten? Könnte eine weitere Covid-19-Welle doch zu Absage oder virtueller Show zwingen?
Auch Golden-Globe-Fans müssen sich gedulden. Die Gala des Verbands der Auslandspresse wurde vom Jänner auf den 28. Februar verschoben. Bei den jüngst steigenden Fallzahlen in Südkalifornien wird dieser Termin aber fraglich. Die Vorzeichen sind schlecht: Für die im Februar geplante Berlinale kam Mitte Dezember das Aus. Stattdessen ist ein digitaler Branchentreff für März und ein Publikumsevent in Berlin für Juni angekündigt.
Offiziell hält die Oscarakademie noch am Apriltermin fest. Anfang Dezember kündigte der Verband ein "Traumteam" von drei Show-Produzenten an, etwa "Ocean's"-Regisseur Steven Soderbergh.
Die nächste Hiobsbotschaft: Im Rampenlicht der Oscarwoche sollte Ende April mit dem Academy Museum of Motion Pictures ein Prestigeobjekt in Los Angeles eingeweiht werden. Das fällt wegen der Schließung kultureller Einrichtungen flach - Aufschub bis Ende September.
In der Academy-Geschichte wurden Shows erst drei Mal verzögert. Nach einer Flutkatastrophe in Los Angeles musste die Verleihung 1938 um eine Woche verschoben werden. Wegen der Beisetzung des ermordeten Bürgerrechtlers Martin Luther King fand 1968 die Feier zwei Tage später als geplant statt. Infolge eines Attentats auf US-Präsident Ronald Reagan, der schwer verletzt überlebte, wurde die Show 1981 um einen Tag verschoben.
Die Pandemie hat die Filmbranche mit Drehstopps und geschlossenen Kinos gelähmt. Premieren wurden abgesagt, viele Filmstarts wurden verlegt. Prestigeobjekte für das Oscarrennen, die vor Covid-19 für 2020 geplant gewesen sind, kommen erst für 2022 in Betracht. Dazu zählen Steven Spielbergs Neuverfilmung des Filmmusicals "West Side Story" und "Top Gun: Maverick" mit Tom Cruise.
Dagegen soll das Sozialdrama "Minamata" mit Johnny Depp in der Hauptrolle des US-Fotografen W. Eugene Smith noch rechtzeitig für die Oscarsaison 2021 in die Kinos kommen. Kleinere Filme, wie "Nomadland" der Regisseurin Chloé Zhao sorgen derzeit für Oscar-Buzz. Frances McDormand spielt darin eine Frau, die nach dem Bankrott ihre Habseligkeiten in ein Auto packt und als Nomadin durch die USA fährt. Kritiker räumen dem Film gute Chancen für einen Oscargewinn ein.