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Roter Teppich für Cineasten - und rege Debatte um das Hitler-Haus

An fünf Tagen zeigte das 22. Filmfestival in Radstadt rund 30 Filme zum Thema Heimat in all ihren Facetten. Dazu zählen auch die braunen Flecken in der regionalen Vergangenheit.

Ein roter Teppich vor dem Veranstaltungsort in Radstadt.
Ein roter Teppich vor dem Veranstaltungsort in Radstadt.


Elisabeth Schneider und ihr Team vom "Kulturkreis Das Zentrum" schafften es auch in diesem Jahr wieder, zahlreiche Regisseure zur anschließenden Diskussion ihrer Filme mit dem Publikum zu gewinnen. Rund 30 aktuelle Spiel,- Dokumentar- und Kurzfilme von regionalen Filmschaffenden und internationalen Filmgrößen sorgten über fünf Tage für randvoll gefüllte Kinovorführungen.

"Ich freue mich, dass wir es geschafft haben, viele Zielgruppen anzusprechen", so Elisabeth Schneider, "und gemeinsam gesellschaftspolitische Diskussionen vor Ort anzuregen, die kein Streaming-Dienst ersetzen kann." Im gemütlichen Ambiente im Dachgeschoß des alten Radstädter Stadtturms gab es bereits nach dem Eröffnungsfilm "Wer hat Angst vor Braunau" eine lebhafte Diskussion.

Elisabeth Schneider, Filmemacher Günter Schwaiger und Produzentin Julia Mitterlehner
Elisabeth Schneider, Filmemacher Günter Schwaiger und Produzentin Julia Mitterlehner

NS-Aufarbeitung nicht beendet

Der Filmemacher Günter Schwaiger aus Neumarkt am Wallersee führte mit seinem Dokumentarfilm klar vor Augen, dass die Aufarbeitung der NS-Geschichte in Österreich noch lange nicht beendet ist. Über fünf Jahre hinweg porträtierte Schwaiger den Geburtsort von Hitler und fand damit internationale Beachtung.

Schwaiger und die Filmproduzentin Julia Mitterlehner wollten ursprünglich in dem Gebäude, in dem Hitler 1889 geboren wurde, die Lebenshilfe bei ihrem Einzug begleiten. "Ich habe mir die Frage gestellt, warum es eigentlich noch keinen Film über Adolf Hitlers Geburtsstadt Braunau und das dortige Adolf-Hitler-Geburtshaus gibt. Ich dachte mir, das wäre mit einer filmischen Begleitung der Lebenshilfe beim Einzug eine wunderbare Aufarbeitung der Vergangenheit."

Neue Pläne für das "Hitler-Haus"

Doch kurz vor Drehbeginn war das Haus von der Republik Österreich enteignet worden. Das Innenministerium verkündete, dass in das Haus nach einem Umbau eine Polizeistation einziehen werde. "Warum soll das Geburtshaus Hitlers neutralisiert werden, warum will man die Vergangenheit vergessen? Desto weiter der Film vorangeschritten ist, desto mehr hatte ich das Gefühl, dass die Vergangenheit vor uns verschlossen wird", so der gebürtige Neumarkter.

Die "Angst" um den richtigen Umgang mit dem Geburtshaus von Hitler zeige, dass hier etwas von außen gemacht werde. Denn die Menschen in Braunau hätten längst eigene Ideen, was mit diesem Haus passieren sollte. "Man kann das den Leuten vor Ort zutrauen. Es geht auch darum, dass man ohne Angst hinter die Fassade blicken und einen Aufarbeitungsprozess anregen kann. Die eigentliche Angst ist, die Wahrheit über die eigene Familie zu erfahren. Tätergeschichte ist überall in Österreich noch präsent "und holt uns immer wieder ein."

Gabriele Hochleitner und Elisabeth Schneider.
Gabriele Hochleitner und Elisabeth Schneider.

Persönliche Geschichten in hartem Umfeld

Der in Goldegg entstandene Film "Trog" von Gabriele Hochleitner wirft ebenso am Beispiel eines Hauses einen Blick in ein Stück lokale NS-Geschichte. Hochleitner nahm sich der Goldegger Geschehnisse bereits mit "Zwei traurige Buam" (2006) und "In der Kurve" (2014) an. Im dritten Teil "Trog" stehen die sehr persönliche Erinnerungen ihrer Familie im Mittelpunkt. Zwei ihrer Onkeln wurden am 2. Juli 1944 in der Aktion "Sturm" von SS und Gestapo im Morgengrauen exekutiert. Sie lud ihre Cousinen und Cousins dazu ein, mit ihr den Ort ihrer Kindheit, einen alten und verlassenen Bauernhof am Böndlsee zu betreten und so auf Tragödien zurückzublicken: Mit viel Mut erzählen elf Frauen und Männer ihre Geschichten vor der Kamera.

"Dialog statt betretenes Schweigen"

Verschüttete Gefühle kommen ebenso zum Vorschein wie die Erinnerungen an eine unglaublich tapfere Frau - an ihre Mutter und "Trogbäuerin" Theresia Kössner. In leisen Bildern werden eindrucksvolle Momente geschaffen. Die Mutter von insgesamt 16 Kindern und Frau des Deserteurs Georg Kössner, der verhaftet und später exekutiert wurde, musste ins KZ. Nach dem Krieg versuchte sie lange vergeblich eine Wiedergutmachung durch das Opferfürsorgegesetz zu bekommen.

"Der Dialog steht für mich an zentraler Stelle. Er soll das betretene Schweigen zu dieser Zeit ersetzen", meinte Gabriele Hochleitner bei der anschließenden Diskussion. Mit "Trog" entstand aber auch ein Film über die schwere Position der Frauen in dieser Zeit, "am Beispiel meiner Tante."

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