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"Die Kommune": Unerträgliche Leichtigkeit der freien Liebe

Thomas Vinterbergs neuer Film erzählt vom Scheitern an eigenen Ansprüchen - mit einer leuchtenden Hauptfigur.

Vater, Mutter, Kind, er Architekturprofessor, sie Fernsehmoderatorin, die Tochter ein Teenager: Eine bildungsbürgerliche Kernfamilie im Kopenhagen der Siebzigerjahre ist der Ausgangspunkt für Thomas Vinterbergs "Die Kommune", der am Freitag ins Kino kommt. Die drei beschließen, eine Kommune zu gründen, doch die Anforderungen des freien Lebens und Liebens sind zuerst für ihn, dann für sie zu viel. Für Regisseur Vinterberg ist "Die Kommune" eine Aufarbeitung seiner eigenen Lebensgeschichte: Auch er ist in einer Kommune aufgewachsen, und auch er hat seine Ehefrau für eine Jüngere verlassen, wie das im Film passiert. Vinterbergs neue Partnerin darf in "Die Kommune" ebenfalls die junge Geliebte spielen. In der Rolle der Ehefrau ist die charismatische Trine Dyrholm zu sehen, die für ihre Rolle mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde.

SN: Sie haben schon in Thomas Vinterbergs Dogmafilm "Das Fest" gespielt. Wie war es, wieder mit ihm zu arbeiten?

Dyrholm: Einerseits fühlte es sich an, als wäre es erst gestern gewesen, aber auf der anderen Seite haben wir nicht nur mehr Gewicht und Falten als damals, sondern auch mehr Lebenserfahrung. Die Gespräche über die Figuren und das Skript sind heute viel nuancierter und detaillierter.

SN: In "Die Kommune" spielen Sie eine Frau, die durch eine jüngere Version ihrer selbst ersetzt wird. Geht das nahe?

Schon, aber ich bin nicht eitel, wenn ich spiele, und ich glaube, dass es zu unserem Beruf dazugehört, auch die hässlichen Seiten menschlicher Gefühle zu zeigen. Wir werden nun einmal älter, alle, und das sieht man. Aber ich muss sagen, dass ich mich heute mit 44 viel besser fühle als mit 24. Ich fühle mich freier, unbefangener, ich sehe mich nicht mehr so von außen.

SN: Haben Sie je in einer Kommune gelebt?

Nicht in einer Kommune im eigentlichen Sinne, aber ich habe mir mit drei, vier anderen Leuten Wohnungen geteilt, als ich noch jünger war. Und ich habe in den Achtzigerjahren kurz in der Kommune meiner Cousine gewohnt.

Ich war damals mit 17 für meine erste Filmhauptrolle frisch nach Kopenhagen gezogen, und fand es einfach nett, dass da jeden Abend gemeinsam gegessen wurde. Da gab es aber keinerlei Partnerwechsel, das war vergleichsweise langweilig. Aber im Ernst, ich habe mir öfter gedacht, dass ich gerne so leben möchte, wenn ich alt bin. Man könnte gemeinsam Pfleger engagieren und einander Gesellschaft leisten.

SN: Thomas Vinterberg sagt, dass Sie einiges zu Ihrer Figur beigetragen haben in diesem Film. Was genau meint er damit?

Als er mich fragte, ob ich bei dem Film dabei sein möchte, war das Drehbuch erst als Entwurf vorhanden. Ich hab dann versucht rauszufinden, welche Art von Geschichte er überhaupt erzählen will, und hab ihn gefragt: "Was macht diese Anne eigentlich so?" Erst dadurch bekam meine Figur überhaupt einen Job. Am Anfang hab ich diese Anna überhaupt nicht verstanden, ich wusste nicht, wer sie sein soll, sie war wie unsichtbar für mich, sie wusste selbst nicht, was sie wollte.

SN: Freie Liebe war ein wichtiges Thema in den 1970ern. Das ist wohl die Erklärung dafür, warum Anna so bereitwillig zustimmt, die Geliebte ihres Ehemannes in die Kommune einziehen zu lassen.

Auf jeden Fall. Man galt ja damals als extrem altmodisch, wenn man offene Beziehungen nicht tolerieren wollte. Aber ich habe mich mit einigen Frauen unterhalten, die so gelebt haben, und die haben mir von dem enormen Druck erzählt, der da auf ihnen lastete. Auf der einen Seite wollten sie moderne Freigeister sein und auch so tolerant, dies anderen zuzugestehen. Aber einige von ihnen wollten einfach nur mit ihrem Ehemann zusammen sein! Und in diesem Film sehen wir eine Frau, die ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird.

SN: Ihre Filmfigur ist erstaunlich beherrscht, obwohl ihr übel mitgespielt wird. Das ist streckenweise schwer zu ertragen. Was, denken Sie, passiert mit ihr nach dem Filmende?

Ich glaube, sie zieht nach Paris, arbeitet dort als Journalistin, und genießt das Leben mit viel Zigaretten, Wein und vielen Liebhabern. Ich glaube, sie hat dieses Kommunenerlebnis gebraucht, um endlich ihren Weg zu finden. Sie hatte immer Sehnsucht nach irgendwas, und muss draufkommen, dass sie das für sich selbst finden muss, draußen in der Welt, und nicht innerhalb ihrer Familie. Ich habe mich mit einer Journalistin unterhalten, die in der Zeit in Dänemark gearbeitet hat, und von der ich mir viel für meine Figur abgeschaut habe. Sie hat auch in einer Kommune gelebt.

SN: Und ist sie später nach Paris gezogen?

Ja! Ich weiß allerdings nicht, ob sie wirklich viele Liebhaber hatte.

Film: Die Kommune. Drama, Dänemark/Schweden/Holland 2016. Regie: Thomas Vinterberg. Mit Trine Dyrholm, Ulrich Thomsen, Martha Sofie Wallstrøm Hansen. Start: 22. 4.

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