Mutige Polizeikommissarin (gespielt von Julianne Moore) und burschikose Automechanikerin (Ellen Page, aus "Juno"): Das Drama "Freeheld" beginnt als zärtliche, humorvolle Liebesgeschichte unter Frauen. Doch als die eine schwer an Krebs erkrankt, weigert sich die Pensionsversicherung, der anderen die jedem Ehepartner zustehenden Bezüge zu zahlen.
"Freeheld" schildert die wahre Geschichte des Bürgerrechtskampfes, den die Polizistin Laurel Hester in ihren letzten Lebensmonaten führte. Der gleichnamige Kurzdokumentarfilm bekam 2008 einen Oscar. Im SN-Interview erläutert Schauspielerin und Produzentin Ellen Page, warum ihr dieser Film so wichtig war und wie sich ihr eigenes Leben seit ihrem Coming-out verändert hat.
SN: Wir wissen, dass ein Film kaum die Welt verändern kann. Aber welche Auswirkungen wünschen Sie sich von "Freeheld"?
Ellen Page: Natürlich hoffen wir, dass Menschen diesen Film sehen, die das Problem in seiner Tragweite bisher vielleicht nicht verstanden haben und die vielleicht eine lesbische Tochter haben und versuchen, sie zu akzeptieren, und sich schwer damit tun. Wenn man die realen, katastrophalen Effekte von Diskriminierung sieht und das durch eine zärtliche Liebesgeschichte erzählt bekommt, dann bewegt das die Leute hoffentlich. Meiner Erfahrung nach kann ein Film seinem Publikum schon helfen, festzustellen: "Oh, bisher habe ich lesbische Liebe als anders und komisch wahrgenommen, aber das ist sie ja gar nicht. Es ist dasselbe." Wir hoffen eben, dass dadurch Mitgefühl und Empathie wachsen.
SN: Bei den Interviews zu "Carol" (der Verfilmung einer lesbischen Liebesgeschichte von Patricia Highsmith, Anm.) sagte Regisseur Todd Haynes, Hollywood habe sich seit den 1950er-Jahren kaum verändert, was die Offenheit betrifft. Sind Sie da optimistischer?
Oh ja. Ich meine, in den Fünfzigerjahren konntest du in Los Angeles noch verprügelt und ins Gefängnis geworfen werden fürs Lesbischsein. Natürlich gab es einen Wandel, und wir haben ja heute auch vielfältigere Geschichten im Kino und im Fernsehen. Wir haben Geschichten von Transleuten, aber ja, es ist noch viel zu tun. Es braucht mehr Filme mit Afroamerikanern, und mit amerikanischen Ureinwohnern, aber es findet eine Änderung statt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich in den Fünfzigerjahren ein Coming-out haben und damit glücklich hätte sein können. Das wäre einfach nicht passiert, Punkt.
SN: Trotzdem gibt es in Hollywood immer noch sehr wenige offen lesbische Frauen. Ist das aus Sorge, weniger Rollen zu bekommen?
Tatsächlich, es gibt offensichtlich sehr viele schwule und lesbische Leute auf der Welt, und sehr wenige offen schwule und lesbische junge Schauspielerinnen und Schauspieler. Es existiert da eine Angst, die ich auch gefühlt habe: Ich hab jahrelang geschwiegen, aus Sorge, dann keine Jobs mehr zu kriegen. Aber auch das ändert sich, und je mehr Leute ihr Coming-out haben, desto besser. Ich verstehe das Gefühl und die Angst vor dem Unausgesprochenen. Aber ich habe das ganz klar hinter mir und frage mich, wovor, verdammt, ich denn so große Angst hatte.
SN: Sie werden fast in jedem Interview zu lesbischen und schwulen Anliegen befragt, wie auch jetzt. Ist das manchmal ermüdend?
Ich betrachte das als Symptom für die Situation, in der wir uns immer noch befinden: Wenn alles, was ich mache, über meine Sexualität verstanden wird, dann haben wir noch einen weiten Weg vor uns. Erst dann ist alles gut: Wenn eine junge Schauspielerin sich nicht unter Druck fühlt, eine Rede zu halten bei ihrem Coming-out, und sie einfach existieren kann, wie jede Hetero-Schauspielerin unhinterfragt existiert.
Aber ich rede lieber ununterbrochen vom Lesbischsein, als mich noch einmal so zu fühlen wie vor meinem Coming-out. Ich bin jetzt so glücklich und fühl mich so kreativ, das Leben ist wieder aufregend und schön. Ich kann frei jemanden lieben und ihre Hand halten, wenn wir die Straße hinuntergehen, und nicht die Entdeckung fürchten! Wenn das bedeutet, dass ich jeden Tag über meine Sexualität reden muss, ja, dann bitte gerne.
Film: Freeheld. Drama, USA 2015. Regie: Peter Sollett. Mit Julianne Moore, Ellen Page, Steve Carell, Luke Grimes, Michael Shannon, Josh Charles, Mary Birdsong, Kelly Deadmon. Kinostart: Freitag, 8. 4.