Ein Tritt in den Hintern, und das Publikum jauchzt: Wenn Chocolat (gespielt von "Ziemlich beste Freunde"-Star Omar Sy) auftritt, kennt das Gelächter kein Ende. "Monsieur Chocolat" schildert das Leben des ersten schwarzen Künstlers auf französischen Bühnen: Rafael Padilla, wie er eigentlich hieß, kam in den 1860er-Jahren als Kind kubanischer Sklaven zur Welt und schaffte als Teenager den Absprung nach Europa. Er wurde von einem Wanderzirkus als Bewegungstalent und Spaßmacher aufgenommen und bekam den Bühnennamen "Monsieur Chocolat" verpasst, hoho, wegen seiner Hautfarbe, Sie verstehen schon. Schließlich wurde er zum Star des besten Varietés von Paris, er war Miterfinder der in Zirkuskreisen unentbehrlichen Weißer-Clown-und-dummer-August-Routine, Toulouse-Lautrec porträtierte ihn, er lachte von Werbeplakaten, selbst die Kinopioniere Auguste und Louis Lumière drehten eine Serie kurzer Filme über ihn und seinen Bühnenpartner Footit.
Trotzdem war Padilla lange Zeit praktisch vergessen, erst die Recherchen des französischen Historikers Gérard Noiriel holten seine Biografie wieder ans Licht. Und es ist, trotz allen Erfolgs, eine Tragödie. Regisseur Roschdy Zem schildert die Geschichte von Rafael Padilla als Tragikomödie, würdig eines wahren Clowns: Unter dem Namen "Kananga" arbeitet er da in einem Provinzzirkus, hilft beim Aufbau und tritt gelegentlich als bedrohlicher Dschungelkönig auf. Bis ihn der berühmte Weißclown Footit (gespielt von James Thiérrée, Enkel von niemand Geringerem als Charlie Chaplin) in der Manege sieht und ihn zu seinem Partner macht.
Sofort sind die beiden die Hauptattraktion des Zirkus: Der Weiße macht schlaue Witze, der Schwarze lässt sich treten, und das Publikum brüllt vor Begeisterung. Irgendwann kommt ein Herr aus Paris und wirbt die beiden ab. Bald spielen Footit und Chocolat in den besten Etablissements der Stadt, und das Geschäft läuft prächtig. Doch nicht nur Spannungen zwischen den beiden Künstlern gefährden den Erfolg: Chocolat gibt zu viel Geld aus für Autos, Schnaps und Damengesellschaft, und eines Nachts landet er im Gefängnis, wo er entsetzlich misshandelt wird. In seiner Zelle trifft er auf einen politischen Gefangenen aus der Karibik, der ihm "Othello" zu lesen gibt und ihn fragt: "Ist dir klar, dass die Weißen über dich lachen, weil sie gern sehen, wie einem Schwarzen in den Hintern getreten wird?"
Die Leiden der in die USA verschleppten afrikanischen Sklaven und der Kampf ihrer Nachfahren um Gleichberechtigung: Auf diesem Gebiet holt das Kino allmählich seine Defizite auf, obwohl Geschichte immer noch primär anhand der Taten weißer Männer erzählt wird. Beschämend wenige Filme stellen allerdings afroeuropäische historische Erfahrungen ins Zentrum: Abdellatif Kechiches "Vénus noire" etwa handelt von der als "Hottentottenvenus" verunglimpften Saartjie Baartman, die im frühen 19. Jahrhundert als Freak durch europäische Manegen gereicht wurde, und Amma Asantes Drama "Dido Elizabeth Belle" erzählt von der schwarzen Tochter eines Adeligen im England des 18. Jahrhunderts. "Monsieur Chocolat" ist nun ein weiterer wichtiger, aufwühlender und unterhaltsamer Film in dieser Reihe. Seine Glanzmomente sind die Inszenierung in der Manege, undenkbar ohne das Charisma von Omar Sy, der Tragik und Freiheitssehnsucht und Lebensfreude in einen Blick zu legen schafft. Zwar erlaubt sich Roschdy Zem einige Freiheiten (der echte Padilla trat nie als Othello auf), doch die Parallelen sind beschämend genug. Und wer weiß, vielleicht bringt das jemanden auf die Idee, das Leben des nigerianischstämmigen Wieners Angelo Soliman zu verfilmen, des fürstlichen Kammerdieners, Freimaurers und Gesellschafters von Joseph II.
Film: Monsieur Chocolat. Drama, Frankreich 2015. Regie: Roschdy Zem. Mit Omar Sy, James Thiérrée, Clotilde Hesme. Start: 29. 4.