Kommt ein Schaf in ein Gourmetrestaurant. Klingt wie ein Witz? Passiert aber wirklich! In "Shaun das Schaf". Zwar ist das Schaf aus Plastilin, doch dafür benimmt es sich beinahe angemessen. Shaun ist nämlich nicht irgendein Schaf, sondern ein Star: Seit seinem ersten Auftritt 1995 in Nick Parks oscarprämiertem Kurzfilm "Wallace und Gromit: Unter Schafen" hat Shaun die bisherigen Stars des Aardman-Stop-Motion-Universums, Wallace und Gromit, in der Gunst der Zuschauer abgelöst. Bald gab es das Schaf auf Teehäferln, als Rucksack, Plüschfigur und Hausschlapfen.
Also entwickelte Aardman-Mitarbeiter Richard Starzak Jahre später ein eigenes TV-Serienformat, in dem Shaun gemeinsam mit dem Hund Bitzer und dem verschrobenen Bauern auf einer Farm kleine wortlose Abenteuer erlebte. Die Serie läuft seit 2007, inzwischen gibt es 140 Folgen zu sieben Minuten. Auf der ganzen Welt sind kleine und große Kinder Fans des Plastilinschafs. Der Schritt zum Kinofilm war nicht weit.
Wer das Aardman-Studio am Rande Bristols besucht, ist überwältigt von den überbordenden Schreibtischen voller Figürchen und Zeichnungen, von der Begeisterung der Modellierer, Beleuchterinnen und Kameraleute für ihre Arbeit. Hier entstehen nicht nur lustige Kinderfilme, auch Werbeclips, die in England heiß begehrt sind. "Shaun das Schaf" ist nun der erste Langfilm, bei dem Aardman nicht mit einem Hollywoodstudio wie Sony oder Dreamworks zusammengearbeitet hat, sondern mit der deutschen Studiocanal. Aardman-Mitgründer Peter Lord nennt diese Vereinbarung einen Wendepunkt: "Als Brite und Europäer kann es ganz schön frustrierend sein, wenn die amerikanische Kultur so dominiert und man nicht anders kann, als sich anzupassen. Bei ,Shaun das Schaf‘ haben wir uns aber keine Gedanken mehr gemacht, wie der Film vielleicht im amerikanischen Mittleren Westen ankommt."
Figur ist beliebt - Film kommt ohne Worte ausNach den enttäuschenden Zuschauerzahlen des sympathischen Vorgängerfilms "Piraten! Ein Haufen merkwürdiger Typen" dürfte Aardman diesmal auf der sicheren Seite sein: Die Figur ist beliebt, und gerade weil hier wieder kein Wort gesprochen wird - die Schafe blöken, der Bauer grummelt - funktioniert der Film voraussichtlich auf der ganzen Welt.
Shaun verlässt diesmal den Bauernhof, wenn auch unfreiwillig: Ursprünglich hatten die Tiere der Farm ja nur eine Party feiern, die Schweine endlich einmal auf der Couch sitzen und fernsehen wollen, die Hendln in der Küche herumscharren. Gegen den Willen von Hofhund Bitzer verfrachtet Shaun daher den Bauern in seinen alten Campinganhänger zum Schlafen, während drinnen die Tiere eine Sauerei veranstalten. Doch dann geschieht das Unglück: Die Bremse des Wagens löst sich, er rollt und rollt - und prallt irgendwann mitten in London gegen eine Wand. Heraus krabbelt, völlig orientierungslos, ein Bauer, der nicht mehr weiß, dass er Bauer ist, und der fortan als Mr. X durch London wankt.
Die Mission, ihn wieder zurückzuholen, entwickelt sich zum Abenteuer, als Shaun von einem Tierfänger hinter Gitter gebracht wird. Zwischenstationen im Luxusrestaurant und über den Dächern Londons lassen jeden Thriller verblassen. Höhepunkt sind aber die verrückten und liebevollen Einzelheiten. Das Shaun-London vielfältig, bunt und voller kleiner und großer Anspielungen; eine kleine Straßenhündin etwa, die Shaun weiterhilft, "spielt dieselbe Rolle wie das Waisenmädchen in Chaplins ,Lichter der Großstadt‘", sagt Regisseur Starzak. Die Liebe zum Schaf steckt im Detail.
Film: Shaun das Schaf - Der Film. Regie: M. Burton, R. Starzak.