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Skandalfilm aus dem Lungau

Ein "Teufelsmal" bedeutete für die Opfer der Hexenverfolgung das Todesurteil. Der gleichnamige Kinofilm "Mark of the Devil", der 1969 in der düsteren Kulisse des Schlosses Moosham entstand, ist heute verboten. Trotzdem ist er Kult für Liebhaber des "(H)exploitation-Films". Internationale Wissenschafter waren dem Phänomen auf der Spur.

Streckbank, Daumenschraube und Nagelbrett - bei den Schlossführungen in Burg Moosham im Salzburger Lungau bemächtigen sich gruselige Bilder vom gnadenlosen Einsatz dieser Marterinstrumente der Fantasie der Besucher. So manch feinnerviger Tourist soll in der dunklen Folterkammer schon ohnmächtig geworden sein.

Das Schloss war tatsächlich Schauplatz zahlreicher Hexenprozesse im 17. und 18. Jahrhundert. Die Quälwerkzeuge sind Originale, ebenso wie der Sitzungssaal der damaligen Gerichtsbarkeit. Das bekannteste Opfer war die "Staudinger-Hexe", die wegen ihrer Besenritte zu den Hexenversammlungen inhaftiert und 1682 auf der Richtstätte am Passeggen hingerichtet wurde.

Ein paar Irrtümer haben sich aber in die Geschichte geschummelt und die gilt es aufzuklären: So war die Hexenverfolgung weder ein Phänomen der Zeitperiode des Mittelalters noch eine Domäne der katholischen Kirche, und nach neueren Forschungen kamen nicht acht Millionen Menschen zu Tode, wie im Vorspann zum erwähnten Film "Mark of the Devil" angeführt, sondern in ganz Europa "nur" etwa 40.000 bis 60.000 Menschen (80% davon waren Frauen). Die falsche Zahl war von den Nazis bereitwillig aufgegriffen worden, um Verfolgungen der Kirche zu rechtfertigen, und überlebte bis heute.

"Mark of the Devil" ist einer der erfolgreichsten Horrorfilme der vergangenen Jahrzehnte. Produzent Adrian Hoven, in Jugendjahren "Lieblingsschwiegersohn des Heimatfilms", holte den britischen Regisseur Michael Armstrong an Bord, der bis dato nur über geringe Filmerfahrung verfügte. Für "Mark of the Devil" (deutscher Titel "Hexen bis aufs Blut gequält") konnte Hoven eine bemerkenswerte Schauspielerriege verpflichten: den aus der "Pink Panther"-Serie als Inspektor Dreyfus bekannten Herbert Lom (als Großinquisitor), Udo Kier (als dessen Assistenten), die betörend schönen "Hexen" Olivera Vuco und Ingeborg Schöner sowie Herbert Fux und den narbengesichtigen Reggie Nalder als finstere Folterknechte.

Zur besseren Verwertung wurde der deutsche Film zur Gänze auf Englisch gedreht. Gerüchte lauteten, Armstrong hätte sich im LSD-Rausch per Sänfte zu den Dreharbeiten tragen lassen, bis er ganz ausfiel. Drehbuchautor Hoven sprang ein und vollendete relativ rasch, nach sechs Wochen, die Dreharbeiten. Er war mehr als Armstrong davon überzeugt, dass nur breit ausgespielte Folterszenen den Film erfolgreich machen würden. Die geschilderten Fälle seien originalen Gerichtsakten entnommen. Bereits die ersten Filmminuten sind von hohem Gewaltniveau geprägt, das sich weiter steigert. Dabei umschmeicheln Schlagermelodien des Sängers Michael Holm ("Mendocino") die Zuschauer, ein Kunstkniff, der den Kontrast zur gezeigten rohen Gewalt noch erhöht.

"Mark of the Devil" spielt in einem Dorf in Österreich, kurz nach 1700 (gedreht in Schloss Moosham, Mauterndorf und Krems). Die Hexenjagden in Kontinentaleuropa sind auf ihrem Höhepunkt, die Hexenjäger Lord Cumberland und Albino missbrauchen skrupellos ihre Macht. Die als Hexe verdächtigte blonde Deirdre, die nach einer Vergewaltigung durch den Bischof ein Kind geboren hat, wird auf der Streckbank gefoltert, bevor sie hingerichtet wird.

Kirchenfeindliche Tendenzen sind im Drehbuch nicht auszuschließen, so wie der Umstand, dass die Kirche bei dem Verbot in Deutschland eine Rolle gespielt hat. Im Film wendet sich das Blatt, als sich der Schüler des Hexenjägers in eine Hexe verliebt, sich gegen seinen Herrn wendet und das ganze Dorf zum Sturm gegen das Schloss ansetzt. In mehr als 30 Ländern, darunter Deutschland, ist der Streifen seit 1970 verboten. Die letzte Beschlagnahme war dort 2004 (nach § 131 dStGB, "Gewaltverherrlichung").

Die heftigen Reaktionen von Kirche, Justiz, Kritikern und Gesellschaft machen den Film für die Wissenschaft so interessant. Andreas Ehrenreich organisierte kürzlich in Tamsweg das erste Symposium zum Thema unter dem Titel "Mark of the Devil: On a Classic Exploitation Film", zu dem die Uni Wien 20 Forscher aus der ganzen Welt eingeladen hat. "Mark of the Devil ist Kult", meint der 25-Jährige Filmwissenschaftler. "Dank des DVD-Booms, engagierter Fans und der Arbeiten von Quentin Tarantino kommt der Exploitation-Film heute stärker ins Bewusstsein."

""Exploitation' (Ausbeutung) ist eine Bezeichnung für Filme, die unter dem Vorwand einer reißerischen Handlung Sex und Gewalt darstellen", erklärt Ehrenreich. Der Volksmund sprach abfällig vom "Schundfilm" - und das Volk strömte hin. Besonders in den USA schlug der Film wie eine Bombe ein, Kinos in New York setzen in einer Woche zehn Millionen Dollar um. Das Publikum sollte den Film "zum Kotzen" finden, deswegen wurden als Werbegag Speitüten mit Aufdruck vor den Kinos verteilt.

Zwei Jahre später folgte mit ähnlichem "Ausbeuteschema" der Produzenten eine Folgeproduktion, "Hexen - geschändet und zu Tode gequält". Heute reizen diese Klassiker zur Auseinandersetzung mit den Themen Voyeurismus, Zensur, Frauenbild und Moral. Gemessen an der kalten technischen Raffinesse von heutigen Horrorfilmen wie "Saw" ist das Verbot von "Mark of the Devil" diskussionswürdig.



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