Wenn deutsche Touristen durch Cornwall reisen, müssen sie die Spuren der Romantik nicht lange suchen. Die üppigen Gärten, dramatischen Küsten, engen Straßen, hohen Hecken und prächtigen Herrenhäuser, die sie sonst jeden Sonntagabend vom Sofa aus im Fernsehen bewundern, eröffnen sich tatsächlich in dieser Gegend. Erstaunen lösen Deutsche nur aus, wenn sie Briten auf Rosamunde Pilcher ansprechen - jene Autorin, die ihre Herzschmerz-Geschichten vor die Kulisse der Natur Cornwalls gesetzt hat. "Rosamunde wer?", erwiderten Engländer meist.
Mit mehr als 60 Millionen verkauften Büchern gehörte Pilcher zu den erfolgreichsten Autorinnen der Gegenwart. Ihre Erzählungen handeln von Liebe und Eifersucht, Glück Leid, Freundschaft und Trennung und sind gespickt mit englischer Herrenhaus-Romantik. Anders als im deutschsprachigen Raum, wo Verfilmungen ihrer literarischen Vorlagen für das ZDF sie berühmt gemacht haben, ist sie in Großbritannien kaum bekannt.
Grande Dame des Liebesschnulze
Am Mittwochabend ist die Grande Dame der Liebesschnulze im Alter von 94 Jahren gestorben, wie ihr Sohn Robin Pilcher am Donnerstag dem "Guardian" mitteilte. Noch bis Weihnachten sei sie in ausgezeichneter Form gewesen. Im neuen Jahr habe sie eine Bronchitis bekommen, am Sonntagabend dann einen Schlaganfall erlitten. Seitdem habe sie das Bewusstsein nicht wieder erlangt, sagte Robin Pilcher.
Rosamunde Pilcher wollte ihre Lesermit Titeln wie "Sommer am Meer", "Das Haus an der Küste" und "Wilder Thymian" in den Urlaub entführen. Das kam gut an: Durchschnittlich rund sieben Millionen deutschsprachige Fernsehzuschauer hängen sonntagabends vor dem Bildschirm der Sehnsucht nach Idylle nach. Obwohl vor Jahren längst alle Romane verfilmt waren, fanden die Produzenten weiteren Stoff in ihren Kurzgeschichten, die sie nach eigenen Angaben am Küchentisch verfasst hat. "Ich hätte mir nie vorstellen können, dass das ein Erfolg würde", sagte die Autorin einmal. Seit 2009 war sie verwitwet. Im Juni 2012 gab sie bekannt, im Alter von 87 Jahren, mit dem Schreiben aufzuhören.
Mekka für Pilcher-Fans
Dass die Erzählungen über attraktive, begüterte und adlige Menschen jenseits des Ärmelkanals in Cornwall spielen, hat die Grafschaft außerdem zu einem Touristenmekka für Pilcher-Fans werden lassen. Reisebusse wälzen sich vor allem im Sommer auf engen Landstraßen durch sumpfige Wiesen und weite Felder, entlang der rauen Steilküste und vorbei an Gärten, wo strahlende Blüten Kontraste setzen.
Tochter eines Marineoffiziers
Rosamunde Pilcher wurde 1924 als Tochter eines Marineoffiziers im kornischen Lelant geboren und schloss sich nach ihrem Schulabschluss während des Zweiten Weltkriegs dem Women's Royal Naval Service, dem Königlichen Marinedienst der Frauen, an. Schon damals schrieb die Britin, die bis 1946 als Sekretärin im Außenministerium arbeitete, Kurzgeschichten. Dann heiratete sie Graham Pilcher, mit dem sie vier Kinder bekam, und zog nach Longforgan bei Dundee in Schottland, wo sie bis zuletzt lebte.
Zwar verfasste Rosamunde Pilcher bereits als Mädchen Geschichten, doch kommerziellen Erfolg feierte sie mit ihren Erzählungen erst vergleichsweise spät: 1987 schaffte sie mit dem Roman "Die Muschelsucher" den Durchbruch. Häuser voller Geheimnisse, Familien mit Lügen, wunderschöne Schauplätze, spannende Handlungen: "Damit veränderte sie das Gesicht romantischer Fiktion", sagt die britische Bestseller-Autorin Katie Fforde. Pilcher sei wegweisend gewesen, da "sie die erste war, die Familiensagen in die breitere Öffentlichkeit brachte".
Bestes Marketing für Cornwall
Derweil ist die Dankbarkeit über die Geschichten, die zunächst in Frauenzeitschriften erschienen, groß im Südwesten Englands. "Dass Cornwall die Kulisse für die Filme stellt, ist das beste Marketing, das wir kriegen können", sagte einmal Malcolm Bell, Chef des Fremdenverkehrsamts Visit Cornwall. Die Hälfte aller ausländischen Gäste in der strukturschwachen Gegend seien deutschsprachig. In Cornwall bezeichnen sie es als "Rosamunde-Pilcher-Effekt", wenn rund 350.000 Touristen pro Jahr aus Deutschland, Österreich und der Schweiz anreisen
Fast als logische Folge wurde die Schriftstellerin im Jahr 2002 für ihre Verdienste um den Tourismus nach Großbritannien mit einem British Tourism Award ausgezeichnet. Immerhin, Rosamunde Pilcher hat die englische Traumwelt nach Deutschland gebracht.
Anders als bei anderen Todesfällen müssen die deutschsprachigen TV-Sender nach Pilchers Tod ihr Programm eigentlich nicht ändern. Allein im Februar steht ohnehin ein gutes Dutzend Verfilmungen von Pilchers Romanen und Kurzgeschichten allein auf den Programmen von ORF, ZDF und SRF. Der ORF zeigt derzeit wöchentlich einen Pilcher-Film.