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Hofhaymer-Festtage: Die Angst vor dem Tod entlockt pralles Leben

Ein Gustostück im musikalischen Kalender steht bevor: Die Paul-Hofhaymer- Gesellschaft veranstaltet Festtage.

Auf diese Weise wird „Decamerone“ bei den Festtagen der Paul-Hofhaymer-Gesellschaft aufgeführt.
Auf diese Weise wird „Decamerone“ bei den Festtagen der Paul-Hofhaymer-Gesellschaft aufgeführt.

Eine lebensgefährliche Pandemie ist ausgebrochen. Ein paar junge Leute fliehen deshalb aus der Stadt und bunkern sich in einem Landhaus ein. Damit ihnen in dieser selbst gewählten Quarantäne nicht langweilig wird, erzählen sie einander Geschichten - von Liebe, Freude, Schrullen und gutem Leben. Bei einem Salzburger Festival wird das noch gesteigert: Zu diesem Text von Giovanni Boccaccio aus dem 14. Jahrhundert, der in der Covid-19-Zeit frische Aktualität errungen hat, wird musiziert.

Gespielt und gesungen werden am Eröffnungsabend der Festtage der Internationalen Paul-Hofhaymer-Gesellschaft Werke aus der gleichen Epoche wie die Entstehungszeit von "Decamerone" - aus dem Codex Rossi oder von Francesco Landini, Jacopo da Bologna und Llibre Vermell de Montserrat. Alle fünf Künstler werden singen, davon werden zwei zudem als Schauspieler mitwirken und drei musizieren.

Was für Instrumente da erklingen! Susanne Ansorg wird mittelalterliche Zupf- und Streichinstrumente spielen; Ian Anderson beherrscht gotische Harfe, Dudelsack, Whistle, Zink wie Tamburello; und Philipp Lamprecht, künstlerischer Leiter der Paul-Hofhaymer-Gesellschaft, von dem die Idee stammt und der die musikalische Leitung übernimmt, spielt historische Perkussion, Tympanon, Organetto und historische Glocken.

Dieser "Decamerone" sei "keine direkte Vertonung", erläutert Philipp Lamprecht. Er habe Lieder und Instrumentalstücke aus der damaligen Zeit gesucht, "die zu einzelnen Erzählelementen passen". In der Fassung, die er mit André Hinderlich, der auch als Schauspieler auftritt, erstellt hat, bekämen Frauenfiguren den Vortritt. Denn Boccaccio lasse Frauen "viele Dinge sagen, die diesen im mittelalterlichen Weltbild nicht zustehen". Die Frauen im "Decamerone" seien selbstständig - mündige Töchter oder gewiefte Adelige, immer witzig und meist klüger als die Männer.

Ein Lied an diesem Eröffnungsabend wird vom Mönch von Salzburg über das Anlocken eines Falkens sein: "Ich het czu hannt gelocket mir". Damit und mit dem Konzert "Männerherzen" am Samstagabend in der Erhardkirche im Nonntal folgt die Hofhaymer-Gesellschaft einer ihrer zwei Hauptmissionen: Das Erste ist die Aufführung des gesamten Schaffens des Mönchs von Salzburg, eines europaweit renommierten Dichters und Komponisten des 14. Jahrhunderts, dem das Konzert am Samstagabend gewidmet ist. Inklusive des heurigen Festivals werde die Hofhaymer-Gesellschaft bisher etwa 80 Prozent von dessen Œuvre aufgeführt haben, einiges sei auch auf CD aufgenommen, erläutert Philipp Lamprecht. Das Projekt, die Musik dieses berühmten Musikers am Hof des Salzburger Erzbischofs Pilgrim II. zu beleben, werde nächstes Jahr abgeschlossen - mit Konzerten und einem Symposium.

Das zweite Anliegen sind die jährlichen Festtage, in denen Alte und Neue Musik verquickt werden: Neben Musik aus Mittelalter und Renaissance gibt es auch Zeitgenössisches. Herausragendes Beispiel dafür wird die Matinee am Samstag, 7. Oktober, mit der österreichischen Erstaufführung der Kantate "der todt" für Bariton und Ensemble des Salzburger Komponisten Herbert Grassl nach nach Texten von H. C. Artmann; dies wird ergänzt durch Musik von Rebecca Saunders und Luciano Berio. Oder: Am Samstagabend, 7. Oktober, wird zwischen Werken des Mönchs von Salzburg "Stelle cadenti veneziane" für Salterio solo von Elisabeth Naske uraufgeführt.

Was mit Todesgefahr und Liebesgeschichten im "Decamerone" begonnen und mit der Kantate "der todt" ans Lebensende gemahnt hat, endet - getreu dem Festivalmotto "LebenLiebeTodt" - wieder mit Liebe und Tod: Für das Konzert "Il passaggio" in historischer Aufführungspraxis am Sonntag, 8. Oktober, wird Claudio Monteverdis Oper "L'Orfeo" für ein Instrumentalensemble aus vier Musikern kondensiert. Im Programm wird dies als "barocke Opulenz, übersetzt in minimalistische, dennoch hochemotionale und musikalisch facettenreiche Settings und Arrangements" angekündigt.

Festival: Festtage der Internationalen Paul-Hofhaymer-Gesellschaft, Toihaus, Erhardkirche und Berchtoldvilla, Stadt Salzburg,
6. bis 8. Oktober.

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