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Neues Album der Gorillaz: Den flüchtigen Klang des Jetzt festhalten

Damon Albarn hat seiner Comicband Gorillaz neue Songs komponiert. Sie klingen, als könnte Albarn den Zauber des Moments festhalten.

Die Gorillaz sind zurück.
Die Gorillaz sind zurück.
Die Gorillaz sind zurück.
Die Gorillaz sind zurück.
Die Gorillaz sind zurück.
Die Gorillaz sind zurück.
Die Gorillaz sind zurück.
Die Gorillaz sind zurück.
Die Gorillaz sind zurück.
Die Gorillaz sind zurück.
Die Gorillaz sind zurück.
Die Gorillaz sind zurück.
Die Gorillaz sind zurück.
Die Gorillaz sind zurück.

Damon Albarn hätte sich etwas mehr Mühe geben können. Jedenfalls, was die Titel seiner neuen Songs betrifft. Diese Songs heißen unter anderem "Lake Zurich" und "Hollywood" oder "Idaho". Komponiert hat er sie - Überraschung! - in Zürich, Los Angeles und Idaho. Einfallslos vielleicht, wie Albarn in einem Interview auch zugibt. Aber eben auch programmatisch.

Orte in aller Welt, da ist Albarn zu Hause. Denn in Albarn lebt ein unruhiger Geist. Stets in Bewegung. Immer wach. Und seit Monaten viel unterwegs auf einer monströs angelegten Tour mit den Gorillaz (am 16. August übrigens beim FM4-Frequency-Festival in St. Pölten). Eigentlich geht es auf der Tour um die Songs des Albums "Humanz", das vor knapp einem Jahr herausgekommen war. Nun aber gibt es zusätzliches Material des ganz frischen, ganz kurzfristig angekündigten Albums "The Now Now". Der Titel klingt ein bisschen nach einem hektischen, modischen "Sofort-her-damit", nach einer "Jetzt- oder-nie-Einstellung". Zu hören ist aber das Gegenteil. Das "Now", von dem Albarn da erzählt, ist keine Überforderung, sondern jener Zustand des Augenblicks, den wir nicht und nicht zu fassen kriegen. Aber Albarn schafft das, weil er Momente zu Musik machen kann.

Das Projekt Gorillaz hatte Albarn vor 20 Jahren erfunden. Gorillaz sind eine Comicband, gezeichnet und bis heute visuell gestaltet von Jamie Hewlett.

Zunächst wusste man nicht so recht, was von den vier Gestalten 2D, Murdoc, Noodle und Russel Hobbs zu halten sei. Einerseits mühte sich die Plattenfirma, ein großes Geheimnis um die Hintergründe der Comic-Popgruppe zu machen. Andererseits offenbarten sich vor der ersten Veröffentlichung Albarn und Hewlett als Urheber eines spektakulären Kunstgriffs. Das Konzept der fiktiven Cartoon-Charaktere schien kühl kalkuliert für den Teenagerkäufermarkt - Filmchen, Actionfigürchen, bedruckte Bettwäsche, der übliche, trendige Kinderzimmermüll stand zur Verfügung. Andererseits klingt die Musik bis heute - anfänglich düster und scheppernd zwischen Hip-Hop und Electro, dann auch rockig, melodiös und nun massiv angereichert mit 1980er-Retrochic - ganz deutlich nach Unterhaltung für aufgeklärte Erwachsene. Die Rechnung ging jedenfalls auf: Die Gorillaz gehören zu den erfolgreichsten und aufregendsten Bands der vergangenen beiden Dekaden.

Bei ihrer Gründung gab es neben künstlerischer Erwägungen aber auch eine ganz persönliche Note. Albarn konnte als Musik-Mastermind hinter den Figuren verschwinden und seiner ersten Karriere im Britpop (mit seiner Band Blur gehörte er zu den Speerspitzen) entfliehen. In neue Klänge. Und in neue Welten. Das ist ganz wörtlich zu nehmen. Albarn reist viel. Und wo er hinreist, hört er zu. Alles fließt dann zusammen, wenn er sich darauf konzentriert, seine eigene Musik - für Soloalben, als Opernkomponist, als Anführer der Supergroup The Good, the Bad & the Queen oder als Direktor des Comiczirkus Gorillaz - zu schaffen.

Er komponiert seinen Gorillaz jedenfalls einen Sound auf den fiktiven Comicleib, der völlig verschiedene Musikstile und Weltgegenden zusammenbringt, als wäre alles eins im Gedanken, aber eben nicht gleich in dessen Ausdruck.

Schrilles und Fetziges, fette Sounds und ausufernde Klangwelten fehlen dieses Mal. Und es fehlen auch die sonst üblichen, vielen Gastauftritte - bloß Snoop Dogg singt einmal mit und House-Legende Jamie Principle gestaltet ein paar Klänge. Und mit Gitarrist George Benson holte Albarn - wie einst Bobby Womack, Carly Simon oder auch Disco-Queen Grace Jones - eine fast vergessene Musiklegende an Bord.

Abgehen tun Gäste aber ohnehin nicht. Es ist auf "The Now Now" einfach alles ein bisschen sparsamer beim Personal und ein bisschen zurückhaltender im Sound ausgefallen als bisher. So passiert das Logische: So viel purer Albarn drang schon lange nicht mehr durch Sounds, hinter denen sich der 50-Jährige als Person doch eigentlich verstecken möchte. Die Melancholie seiner Stimme bestimmt das Album.

Das "Now", das hier beschrieben wird, ist eine Momentaufnahme, das Einfangen von Wimpernschlägen, das Freilegen von Augenblicken. Es geht also um Kleinigkeiten.

Das setzt Albarn auch in seinen Kompositionen um. Manche wirken im Gegensatz zu früherer Opulenz, zur Tanzbarkeit von Electro-Geflechten bloß skizzenhaft, verkümmern aber trotzdem nicht zu Fragmenten. Facettenreich bleibt das Album. Dennoch warnt Albarn in einem Interview mit "Entertainment Weekly": "Wer meine Stimme nicht mag, sollte besser kein Geld für diese Platte ausgeben." Die bleibt bei manch sanftem, für Gorillaz-Verhältnisse geradezu versöhnlichem Wohlklang aber stets politisch doppelbödig.

Albarn verbindet Pop immer mit Haltung. Beim vorletzten Album "Humanz" meinte er, dass es freilich "ein Werk für ungewisse Zeiten" werden müsste. Brexit, Trump waren die großen Themen. Daran hat sich nichts geändert. Eine Welt in Unsicherheit und Angst schwingt auch nun mit. Sie lassen sich auf "The Now Now" bloß nicht ganz so unmittelbar spüren, werden aber im Untergrund, in manchen Wortfetzen erkennbar. Da spielt es dann auch keine Rolle, wo ein Lied entstanden ist, denn diese Songs entziehen sich ohnehin jedem Ort. Hauptsache, es geht immer weiter.

Oder wie Albarn das kürzlich in einem Interview formulierte: "Ich liefere einfach mein Zeug ab, bin emsig, immer an neuen Impulsen interessiert." So einfach ist das. Augen offen halten. Ohren spitzen. Weiterarbeiten.

Album: Gorillaz, "The Now Now" (Parlaphone/Warner).
Live: unter anderem am 16. August/FM4-Frequency-Festival in
St. Pölten.

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