Chris Neuschmid lebt als Profimusiker den Traum vieler junger Menschen. Er ist aber nicht nur ein Virtuose auf seinem Instrument, in seiner Werkstatt baut sich der 42-Jährige seine Gitarren selbst. Ein Gespräch über das Dasein als Musiker in Zeiten des Umbruchs und den Mut, den es braucht, um an seinen Träumen festzuhalten.
Wann wussten Sie, dass Sie die Musik zu Ihrem Beruf machen wollen? Chris Neuschmid: Ich habe im Alter von zwölf Jahren angefangen, Gitarre zu spielen, und habe da noch nicht wirklich darüber nachgedacht, ob man Musik überhaupt als Beruf ausüben kann. Nachdem ich aber schnell gemerkt habe, dass die Musik zum Mittelpunkt meines Lebens wurde und ich jede freie Minute mit Üben verbracht habe, würde ich sagen, ich war zirka 16 Jahre alt, als ich wusste, dass Musik mein Beruf bzw. der größte Teil meines Lebens sein wird.
Waren Sie sich jemals unsicher, ob das klappen wird? Ich war mir mit Ende 20 etwas unsicher, weil sich das Musikgeschäft mit Einzug diverser Tauschplattformen im Internet radikal verändert hat und im ganzen Business eine gewisse Ohnmacht und Ratlosigkeit herrschte. Wobei: Unsicher war ich mir nur in finanzieller Hinsicht, weil sich das "Berufsbild" praktisch ununterbrochen ändert.
Wie hat Ihre Ausbildung ausgesehen und wer hat Sie da am meisten geprägt? Ich habe, bis auf einige Privatstunden und Workshops, autodidaktisch Gitarre spielen gelernt. Ich habe sozusagen alles, was mich interessiert hat, von Platten, CDs und Kassetten abgehört und nachgespielt. Bis zu meinem 19. Lebensjahr. Danach nahm ich für ein Jahr Privatstunden, um mich für die Aufnahmeprüfung an der Jazzabteilung der Kunstuniversität Graz vorzubereiten. Ab 2001 habe ich dann dort Jazzgitarre studiert und 2006 meinen Abschluss gemacht. Geprägt haben mich neben meinen Lehrern Karl Ratzer, Guido Jeszenszky und Wolfgang Pointner natürlich die Künstler, die ich ständig gehört und studiert habe: Eric Clapton, Jimi Hendrix, Neil Young, Nirvana, Muddy Waters, Miles Davis, John Coltrane, Fela Kuti u. v. m.
Ein weiterer wichtiger Einfluss sind die Künstler, mit denen ich zusammenarbeite - weil jede einzelne gemeinsame künstlerische Arbeit für mich nach wie vor eine völlig neue Erfahrung ist und immer neue Herausforderungen mit sich bringt. Die ständigen Veränderungen im Musikgeschäft, örtliche Veränderungen, personelle Veränderungen, die Kurzlebigkeit von Projekten, neue Sounds, Trends usw. sorgen dafür, dass es fordernd und spannend bleibt, zum Kern der Musik vorzudringen - und Menschen damit zu berühren.
Hatten Sie während Ihrer Ausbildungsjahre auch Jobs, die nichts mit Musik zu tun hatten? Ich habe im Betrieb meines Vaters in Mittersill als Maschinenbauer gearbeitet.
Wann haben Sie damit begonnen, Gitarren selbst zu bauen? Wie ist da der grobe Arbeitsablauf? Ich habe schon immer viel experimentiert mit meinen Gitarren und kleinere Veränderungen vorgenommen, die im Lauf der Zeit immer tiefgreifender wurden. Im Herbst 2019 habe ich dann angefangen, ernsthaft darüber nachzudenken, die vielen Erfahrungswerte in eine eigene Gitarrenkreation einfließen zu lassen, und einfach probiert, die für mich perfekte Gitarre selber zu bauen. Im Lockdown hatte ich dann die Zeit, oft genug zu scheitern und zu lernen. Als Erstes habe ich drei Prototypen angefertigt.
Der Arbeitsablauf sieht so aus, dass ich ganz viele Sachen parallel mache - und momentan mit Dingen wie den passenden Koffern, Zubehör und anderen Feinheiten beschäftigt bin, da ich die ersten Aufträge von Kunden habe und natürlich nur ein ausgefeiltes, perfektes Produkt verkaufen werde. Meine erste kleine Werkstatt habe ich hier in unserem Haus im Mühlviertel eingerichtet und werde demnächst in eine etwas größere Werkstatt in der Nähe übersiedeln.
Wie waren die langen Monate im Kultur-Lockdown für Sie? Anfangs war ich in so einer Art Schockstarre, nachdem ich das erste Mal seit 20 Jahren länger als zwei Wochen am Stück zu Hause war. Durch den kompletten Verdienstausfall haben sich auch Existenzängste breitgemacht. Ich würde aber sagen, es ist mir ganz gut gelungen, die Zeit zu nutzen. In erster Linie habe ich mehr Zeit mit meiner Familie verbracht, habe neue Singles produziert und an meinen Gitarren weitergearbeitet.
Sie waren in fünf Festspielsaisonen Mitglied der "Jedermann-Band" - in welchen Bands spielen Sie aktuell oder sind auf Abruf dabei? Ich spiele momentan hauptsächlich mit Lylit, dem Mobile Music Club mit Anna Buchegger (Starmania-Siegerin, Anm.) und mit Fabian Rucker 5. Im Herbst bin ich im Schauspielhaus in Salzburg beim Tom-Waits-Stück "The Black Rider" zu hören. Auf Abruf bin ich zusätzlich in rund zehn verschiedenen Bands. Kommenden Herbst und Winter wird's auch wieder einige Auftritte mit meinem Soloprogramm "Blue Matters" geben, unter anderem beim Take-the-A-Train-Festival in Salzburg am 18. September. Insgesamt spiele ich rund 80 bis 100 Konzerte in einem Jahr.
Wie unterscheidet sich die Arbeit als Solokünstler von jener als Mitglied in anderen Bands? Ich mache seit rund sieben Jahren wieder vermehrt meine eigene Musik. Zum einen arbeite ich beim Produzieren und Schreiben allein bei mir im Studio und zum anderen im Trio mit Andreas Lettner und Jojo Lackner, mit denen ich auch gemeinsam Songs aufnehme. Die Arbeit als Sideman unterscheidet sich natürlich schon sehr von der Arbeit an eigenen Projekten. Ein großer Teil davon ist das Marketing, Labelarbeit und alles, was damit zu tun hat. Ich veröffentliche meine Arbeiten auf meinem eigenen Label "Only Up Music". Musik im Alleingang zu produzieren und zu veröffentlichen ist ein dauernder Lernprozess und genau das macht auch den Reiz daran aus.
Auch wenn man als Sideman manche Entscheidungen, speziell im Produktionsprozess, nicht selber trifft bzw. nicht selber treffen muss, nimmt es einem doch auch viel Druck und man gestaltet Sound und Musik völlig anders, wenn man "für und mit" jemandem arbeitet. Ich würde die gemeinsame Arbeit mit anderen Musikern, mit denen ich meistens ja auch gut befreundet bin, auf keinen Fall missen wollen.
Wie sieht eine normale Alltagswoche bei Ihnen aus? Ich unterrichte Montag- und Dienstagnachmittag und bin an beiden Vormittagen mit Büroarbeit beschäftigt - Steuern, Label, Booking, Bestellungen und solchen Dingen. Mittwoch und Donnerstag bin ich entweder in meiner Werkstatt oder mit Proben beschäftigt. Freitag und Samstag bin ich dann unterwegs, um Konzerte zu geben. Wochentags bin ich meistens von 20 Uhr bis Mitternacht im Studio, um zu produzieren, Videos zu schneiden usw. Das Beste an meinem Alltag ist allerdings, dass es ihn eigentlich nicht gibt.
Inwieweit ist ein Leben als Profimusiker für eine Beziehung bzw. die Familie belastend? Wie schwer ist es, alles unter einen Hut zu kriegen? Da ich bis auf den Unterricht selbstständig arbeite, kann ich mir zum Glück vieles frei einteilen. Gute Planung und viel Verständnis sind sozusagen die Grundpfeiler, damit man Familie und den Musikerberuf unter einen Hut bringen kann. Meine Frau Catharina ist zum Glück in beiden Disziplinen fantastisch und eine riesige Unterstützung.
Was würden Sie einem jungen Menschen raten, der wie Sie vorhat, seinen Traum zu leben bzw. sein Hobby zum Beruf zu machen und Profimusiker zu werden? Das kann man nur schwer verallgemeinern. So persönlich und unterschiedlich Kunst ist, sind es ja auch die Künstler! Wenn man spürt, dass es der einzig gute und richtige Weg ist, Musiker zu sein bzw. zu werden, zieht man es ohnehin durch. Ich würde jedenfalls raten, alles auf künstlerische Individualität zu setzen.
Zur Person: Chris Neuschmid ist Gitarrist, Sänger, Songwriter, Produzent und Gitarrenbauer. Der gebürtige Oberpinzgauer lebt im Mühlviertel und ist Vater eines dreijährigen Sohnes. www.chrisneuschmid.com