Er wird von der Bühne ans Telefon geholt: Sein Vater ist gestorben, und Theaterschauspieler Stefan Zöllner (gespielt von Lucas Gregorowicz) soll eilig heim nach Bochum kommen. Doch anstatt sich um den Nachlass zu kümmern, trifft Stefan auf diverse mehr oder weniger verschrobene Gestalten aus seiner Jugend: "Sommerfest" von Sönke Wortmann ("Männerpension") erzählt eine universelle Geschichte vom Heimkehren, rau, anrührend und bemerkenswert fröhlich. In der Hauptrolle: Ex-Burgschauspieler und "Vorstadtweiber"-Star Lucas Gregorowicz, der sich in der Figur des Bochumer Jungen nur zu gut wiedererkennt.Es gibt einige Berührungspunkte zwischen Ihnen und dem Stefan Zöllner, den Sie in "Sommerfest" spielen, oder? Lucas Gregorowicz: Ja, das ist natürlich vor allem die Stadt Bochum, aus der er kommt. Das ist für mich das ungewöhnlichste an dem ganzen Dreh gewesen, weil Bochum ja auch meine Heimatstadt ist. Und da meine ganze Vergangenheit nochmal quasi aufzuarbeiten, das war im besten Sinne ein therapeutischer Ansatz, in den Genuss kommst du als Schauspieler sonst nicht so oft. Auch dass dieser Stefan das Theater verlassen muss, widerwillig, auch das ist vielleicht eine Parallele.
Sie waren ja bis vor zwei Jahren am Burgtheater in Wien, und Sie sprechen jetzt von einem widerwilligen Abschied. Fehlt Ihnen das Theater? Das war ein Abschied mit einem lachenden und einem weinenden Auge natürlich. Ich hab da sehr gern gespielt, und mit tollen Leuten zusammengearbeitet. Es liegt in der Natur der Sache, dass man irgendwann geht, und es war auch an der Zeit zu gehen, aber ich hatte in Wien eine tolle Zeit. Ich glaube, das ist erstmal durch, das Thema. Einerseits handelt "Sommerfest" von einer wiedererkennbaren Heimkehrer-Situation, auf der anderen Seite ist es eine Liebeserklärung an Bochum. Was ist eigentlich das Spezielle an Bochum? Das ist gar nicht so einfach zu beschreiben. Bochum ist keine Stadt, die durch ihre Schönheit besticht, aber Bochum ist auch nicht typisch Ruhrgebiet, es ist anders als Dortmund oder Essen. Vielleicht hat das auch mit dem Schauspielhaus zu tun, das immer eine experimentierfreudige Anstalt war, die viel Leben in die ganze Stadt ausgestrahlt hat. Auf der anderen Seite ist Bochum sehr speziell, ich finde, in bestimmten Stadtteilen von Berlin oder auch von Wien ist es auch so wie dort. Ich bin in Wien immer gerne nach Favoriten gefahren, wenn ich mich die Erhabenheit der Wiener Innenstadt erschlagen hat als Bochumer Junge. Vieles hat auch mit der Arbeitertradition zu tun. Und dass das Opelwerk jetzt nicht mehr da ist, dass das Nokiawerk nicht mehr da ist, das ist einerseits niederdrückend, aber auf der anderen Seite ist das trotzdem eine sehr stolze Gegend, die unglaublich überlebensfähig ist.Wie war das denn bei den Dreharbeiten? Das war für Sie ja genau so ein Zurückkehren wie für Stefan im Film. So etwas hat immer etwas Sentimentales, und ich bin in der Stadt ständig auf meine eigene Vergangenheit gestoßen. Ich hab meine ganzen alten Lehrer getroffen, zufällig, die saßen an einem Vormittag in einem Café: Mein Sportlehrer, mein Biolehrer, mein Deutschlehrer, mein Klassenlehrer. Ich hab denen gesagt, "Leute, ihr müsst doch alle zurück in die Schule, ihr habt doch gleich Unterricht!" Und die sagten mir, "Spinnst du, wir sind doch alle in Rente seit zehn Jahren!" Solche Situationen gab es viele.
Auch für Sönke Wortmann ist "Sommerfest" bestimmt sein persönlichster Film seit "Kleine Haie", er ist ja auch aus der Gegend. Und der Film geht sehr respektvoll um mit diesen Ruhrpott-Klischees. Ich glaube ja, dass die Neugier, die die Bochumer etwa den "Vorstadtweibern" entgegengebracht haben, auch andersrum funktioniert: Es ist für die Ruhrgebietler genauso exotisch gewesen, die "Vorstadtweiber" zu gucken, wie vielleicht für Österreicher, "Sommerfest" zu sehen. Das ist einfach ein anderer Schmäh.Im Film hört der Stefan Zöller ja oft den schönen Satz: "Muss man dich kennen?" Da geht's Ihnen als wiederholter "Polizeiruf 110"-Darsteller viel besser. Aber kennt man Sie in Deutschland auch aus den "Vorstadtweibern"? Nicht ganz so sehr wie in Österreich natürlich, wo das ein Straßenfeger war, aber die Vorstadtweiber waren auch hier sehr präsent, vor allem die ersten beiden Staffeln. Diese Konsequenz und diese Bösartigkeit, das wird in Deutschland sonst nicht gepflegt, das ist einzigartig. Und das ist in Deutschland sehr gut angekommen.
Kino: Sommerfest. Tragikomödie, Deutschland 2017. Regie: Sönke Wortmann. Mit Lucas Gregorowicz, Anna Bederke, Nicholas Bodeux, P. Jordan.