"Tram 83" hieß die in einer afrikanischen Minenstadt gelegene Bar, die Fiston Mwanza Mujila zum Schauplatz seines gleichnamigen Erfolgsromans gemacht hatte. Sein auf Französisch geschriebenes Buch wurde mehrfach ausgezeichnet und in über 20 Sprachen übersetzt. In der "New-Jersey-Bar" spielt sein erstes Stück "Zu der Zeit der Königinmutter". Am Samstag wird es im Akademietheater uraufgeführt.
Führte "Tram 83" mit seinen so brutalen wie hoffnungslosen Szenen direkt in das Herz der Finsternis und ließ Ausgebeutete und Kriminelle, Prostituierte und Kolonialisten aufeinanderprallen, ist die New-Jersey-Bar ein Zufluchtsort von Gestrandeten und könnte sich überall finden. Die Ausgangssituation ist "wie bei 'Warten auf Godot': Die Leute haben nichts zu tun und gehen nicht weg", sagt der Autor. Es kommt zu einer klassischen Western-Situation: Ein Fremder betritt die Bar. Alle erstarren. Man tastet einander ab, taxiert und prüft einander. Es riecht nach Streit.
Von griechischem Chor bis zum afrikanischen Märchen
"Zu der Zeit der Königinmutter", das Philipp Hauß mit fünf Schauspielern und drei Musikern auf die Bühne bringt, hat keinen realistischen Plot und kein klar zu fassendes Thema. Das Stück speist sich aus unterschiedlichen literarischen Traditionen, vom griechischen Chor bis zu afrikanischen Märchen. Mehrfach ergreifen Barbesucher das Wort und erzählen Geschichten. "Was mich fasziniert: Früher hat jedes Volk nur über sich selbst Bescheid gewusst. Nach der Domestizierung der Natur, der Migration von Menschen und Tieren, gibt es heute nur noch eine einzige Welt. Heute hat alles miteinander zu tun", erzählt der 1981 im Kongo geborene und seit 2009 in Graz lebende Autor im Gespräch mit der APA.
Dank Stipendium Sprung nach Europa
Fiston Mwanza Mujila wuchs während der Mobutu-Diktatur auf, besuchte eine katholische Schule und machte seinen Master in Literaturwissenschaft. Als Stipendiat des Heinrich-Böll-Fonds in Köln gelang ihm der Sprung nach Europa. Bei der jüngsten Präsidentenwahl in seiner Heimat war er wie seine anderen im Ausland lebenden Landsleute nicht stimmberechtigt. Zum Sieger wurde überraschend ein Kandidat erklärt, dem Geheimabsprachen mit Präsident Joseph Kabila, der nicht mehr antreten durfte, vorgeworfen werden. "Ich glaube, die Wahl wurde manipuliert." Die Demokratische Republik Kongo, mit über 80 Millionen Einwohnern einer der bevölkerungsreichsten Staaten Afrikas, hat enorme Vorkommen an Coltan und Kobalt, die es für multinationale Konzerne und globale Großmächte interessant machen. "Das Land ist eigentlich sehr reich. Aber im Kongo profitiert niemand davon. Alle Profite gehen ins Ausland."
Der zweite Roman handelt von einem Geografen
In "Zu der Zeit der Königinmutter" gehe es aber nicht um Politik, sagt Mwanza Mujila. "Ich bin und bleibe ein Dichter. Dichter zu sein, bedeutet naiv zu sein, die Welt mit den Augen eines Vierjährigen zu sehen." Das Stück ist der erste Text, den der in Graz afrikanische Literatur lehrende Sohn eines Händlers aus Lubumbashi auf Deutsch verfasst hat. Seinen zweiten Roman, in dem es um einen deutschen Geografen des 19. Jahrhunderts gehen wird, schreibt er wieder auf Französisch. "Vielleicht wird es aber in 10 oder 20 Jahren auch einen auf Deutsch geschriebenen Roman von mir geben."