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Der Weg zur Geschlechtergleichheit im Berufsleben

Noch immer sind Frauen in Führungspositionen deutlich weniger vertreten als Männer. Aus einer aktuellen Studie geht hervor, dass es in Bezug auf Diversity & Inclusion in vielen Unternehmen eine deutliche Diskrepanz zwischen Haltung und konsequenter Handlung gibt.

Lohngerechtigkeit zählt zu den am meisten diskutierten Themen in der Arbeitswelt.
Lohngerechtigkeit zählt zu den am meisten diskutierten Themen in der Arbeitswelt.

Einst als vermeintliches Nischen- oder Randthema abgetan, zeigt die globale Studie "When Women Thrive" der Unternehmensberatung Mercer, dass Diversity & Inclusion im Bewusstsein der Unternehmen angekommen sind. "Diversity & Inclusion sind für Unternehmen weder ein Selbstzweck noch ein Selbstläufer, doch es ist Voraussetzung für geschäftlichen Erfolg", ist Achim Lüder, Geschäftsführer von Mercer Deutschland, überzeugt. An der diesjährigen Studie von Mercer nahmen im Herbst 2019 weltweit über sieben Millionen Mitarbeitende - davon 2,8 Millionen Frauen - aus 1157 Unternehmen teil. Die Analyse beinhaltet erstmalig auch einen separaten Blick auf die DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz).

Fortschritte auch bei der Lohngerechtigkeit

Laut den Studienergebnissen haben sich nahezu zwei Drittel (64 Prozent) der Organisationen in der DACH-Region dazu verpflichtet, Vielfalt zu fördern und eine inkludierende Unternehmenskultur anzustreben. Sie engagieren sich aktiv, um konkrete Schritte umzusetzen und ihren Kurs zu ändern - dabei liegen viele Ergebnisse sogar über dem weltweiten Durchschnitt.
Auch mit Blick auf die Entgeltgerechtigkeit wurden weltweit Fortschritte gemacht. Immer mehr Unternehmen wenden konsequentere Methoden an, um diese zu erreichen. Innerhalb der DACH-Region geben 82 Prozent der Unternehmen an, dass Entgeltgerechtigkeit zu ihrer Vergütungsphilosophie oder -strategie gehört. Dieser Wert liegt über dem weltweiten Durchschnitt von 74 Prozent. Entgeltgerechtigkeit ist zwar tendenziell als Geschlechterfrage formuliert - dies aber in beide Richtungen. Daher können auch unterbezahlte Männer von einer korrigierenden Anpassung profitieren. Auch bei anderen Maßnahmen steht die DACH-Region besser da als der weltweite Durchschnitt. So erheben 73 Prozent der Unternehmen - im Vergleich zu 64 Prozent weltweit - Daten zur Geschlechterrepräsentation nach Karrierestufe. 64 Prozent der Unternehmen - im Vergleich zu 50 Prozent weltweit - geben an, dass sie formale quantitative Ziele oder Vorgaben zu Diversity-&-Inclusion-Ergebnissen festlegen. Und 77 Prozent der Unternehmen bieten - im Vergleich zu 66 Prozent weltweit - eine Vielzahl flexibler Arbeitsmodelle an.

Mangel an Flexibilität hemmt Aufwärtsmobilität

Gerade Vereinbarungen für die Flexibilisierung der Arbeitszeit sind entscheidend, um Diversity & Inclusion in der Unternehmenskultur zu verankern. Mitarbeitende aus unterschiedlichen demografischen Gruppen schätzen die Möglichkeit, flexibel zu arbeiten, um die Arbeit mit anderen Interessen und Verantwortlichkeiten in Einklang zu bringen. Doch auch wenn mehr als drei Viertel der Unternehmen flexible Arbeitszeitregelungen anbieten, so folgt auf diese erfreuliche Erkenntnis Ernüchterung, wenn man sich die Zahlen zum Aspekt der Wertschätzung anschaut. Denn weniger als die Hälfte (45 Prozent) derjenigen, die zu gleichen Teilen außerhalb des Büros arbeiten, geben an, dass sie Wertschätzung von ihren Unternehmen im gleichen Maße erhalten. Dies entspricht auch dem globalen Durchschnitt von 44 Prozent. Und lediglich in neun Prozent der Unternehmen haben Teilzeitmitarbeiterinnen und -mitarbeiter die gleichen Chancen sich weiterzuentwickeln wie Vollzeitmitarbeiter. Dieser Wert wiederum liegt deutlich unter dem weltweiten Durchschnitt von 45 Prozent.

Technologie als Bindeglied

Der Bericht von Mercer zu den Studienergebnissen der DACH-Region geht davon aus, dass sich sogar die Covid-19-Pandemie nachhaltig und positiv darauf auswirken wird, wie Unternehmen flexible Arbeit sehen und bewerten, nachdem Millionen von Beschäftigten für einen längeren Zeitraum des Jahres 2020 effektiv ins Homeoffice gewechselt sind.
"Individualität und Flexibilisierung waren lange Zeit schwierig zu administrieren. Jetzt stehen den Unternehmen im Rahmen der Digitalisierung Tools zur Verfügung, die helfen, das Ganze umzusetzen", erklärt Lüder. "Bei praktisch allen Aspekten der Bemühungen um Diversity & Inclusion - von der Datenanalyse über den Talent-Acquisition-Prozess und die Mitarbeiterauswahl, -entwicklung und -kommunikation bis hin zu Gesundheit und finanziellem Wohlbefinden - können Technologien systematische und skalierbare Veränderungen vorantreiben, um Unternehmen wirklich zu transformieren."

Dennoch hat die Mercer-Studie ergeben, dass zurzeit weniger als die Hälfte der Unternehmen in der DACH-Region tatsächlich Technologien für diese Zwecke nutzen.

Diskrepanz zwischen Haltung und Handlung

Laut den Studienergebnissen gibt es insgesamt eine deutliche Diskrepanz zwischen Haltung und konsequenter Handlung. "Auch wenn Diversity & Inclusion im Bewusstsein angekommen sind, hat der kulturelle Wandel innerhalb der Unternehmen noch nicht stattgefunden", sagt Lüder. "Viel zu wenige Unternehmen haben die notwendige Umgebung oder Kultur geschaffen, in der Frauen die Chance zum Erfolg haben."
Dass Frauen in der DACH-Region in Führungspositionen weiterhin deutlich weniger vertreten sind, ist einer der Indikatoren. Zahlreiche Frauen stagnieren in ihrer Karriere oder verlassen das Unternehmen. Um die nach wie vor bestehenden Missstände bei der geschlechtsspezifischen Diversität in Unternehmen zu beseitigen, reichen die bisherigen Maßnahmen demnach nicht aus. Prognosen zeigen, dass mit den aktuellen Bemühungen in Talentprozessen erst in 100 Jahren eine Gleichverteilung zwischen Männern und Frauen in Topmanagement- und Senior-Executive-Positionen erreicht werden kann. In den kommenden zehn Jahren wird sich der Anteil der Frauen um gerade einmal fünf Prozentpunkte erhöhen.


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