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Die Erfolgsgeschichte der Familie Wind aus Tamsweg

Fahren die Weltmärkte Achterbahn, spürt das auch der Bauer in Tamsweg. Es gibt aktuell viele Faktoren, die Landwirte zum Aufhören zwingen. Man kann aber auch neue Wege gehen, wie die Familie Wind vom Greilhof es getan hat.

Die Familie Wind, von links: Simon und Claudia mit ihrem Christian, Mama Adelheid mit Enkel Martin, Philip und Corinnas Sohn David, Vater Gottfried, Philip, Corinna und Tochter Miriam.
Die Familie Wind, von links: Simon und Claudia mit ihrem Christian, Mama Adelheid mit Enkel Martin, Philip und Corinnas Sohn David, Vater Gottfried, Philip, Corinna und Tochter Miriam.

Streng genommen ist es nicht der Schmied, der gern als erster Beruf in der Menschheitsgeschichte genannt wird, sondern der Bauer. Immerhin braucht es erst einmal ein Tier zum Schlachten, bevor das Messer zum Einsatz kommt. Freilich, den Bauernhof bringt man eher mit Familien und Nebenerwerb in Verbindung als mit einem Produktionsbetrieb oder einem Dienstleister, der bezahltes Personal beschäftigt. Der Bauer hingegen zählt seine Arbeitsstunden nie. Er produziert seit jeher, was es zum Leben braucht. Was übrig blieb, wurde auf Märkten verkauft. Dann kamen Handelspartner, die den Bauern sagten, was der Markt brauchte: mehr Fleisch, Biomilch oder Ziegenkäse. Der Bauer produzierte. Und es kam die EU mit ihren Subventionen, aber das ist eine andere Geschichte.

Bei Gottfried und Adelheid Wind aus Tamsweg kam die Molkerei, die ihnen mitteilte, man könne deren Ziegenkäse nicht weiter vermarkten, das sollten sie bitte künftig selbst tun. So wurden sie Selbstvermarkter und ihre Geschichte, die hier erzählt werden soll, zeigt eines: Die Gesetze des Marktes gelten auch für die Landwirtschaft. Es braucht auch hier neue Lösungen, kluge Umsetzer und manches Mal auch Mut.

Zum ersten Mal blieb Geld übrig

Nachdem Adelheid Winds Vater überraschend gestorben war, übernahm sie mit ihrem Mann Gottfried 1987 den elterlichen Greilhof. Von der Molkerei kam noch zu Lebzeiten des Vaters die Empfehlung, es doch mit Ziegen zu versuchen, die Milch würde ihnen abgenommen. So führte das Ehepaar seinen Landwirtschaftsbetrieb mit Ziegen und produzierte daraus Käse. Als die Kooperation seitens der Molkerei beendet wurde, fragten sie sich: was tun? Auf die Einkünfte aus der Nebenerwerbslandwirtschaft war das Paar nicht wirklich angewiesen, da beide ihre Berufe hatten. Rasch reifte der Entschluss, es mit Selbstvermarktung zu versuchen, auch, um den elterlichen Betrieb zu erhalten. Recht unerschrocken packten Adelheid und Gottfried Wind an einem Donnerstag im Jahr 1990 die Ware zusammen und fuhren auf die Salzburger Schranne. "Zum ersten Mal blieb uns etwas im Geldtascherl, das war wie ein Lottosechser", erinnert sich Adelheid Wind.

Dem Ehepaar kam der damalige Lifestyle entgegen: Bauernmärkte begannen populär zu werden, die junge Biobewegung nahm Fahrt auf, Lebensmittelallergiker fanden in Ziegenmilchprodukten gute Alternativen und waren auch bereit, dafür Geld auszugeben. Kurze Zeit später wurden das erste Schwein und das erste Kalb geschlachtet, das Ehepaar begann mit der Wurst- und Speckproduktion, zu Beginn noch am Küchentisch. Wie vielen anderen Biobauern blies dem Ehepaar Wind dieser sprichwörtlich oft um die Ohren. Mit ihrer Idee der Selbstvermarktung wurden sie belächelt. Doch waren sie Vorreiter in einer Branche, die sich ihren Boden erkämpfen musste.

Damals war die Biobewegung in Österreich noch recht überschaubar. 1979 hatte die Vorgängerorganisation von Bio Austria nur 200 Mitglieder, zehn Jahre später nicht recht viel mehr. Das änderte sich, als Supermärkte ab den 1990er-Jahren begannen, Bioprodukte ins Sortiment zu nehmen. 1995 hatten in Österreich schon 20.000 Landwirtschaftsbetriebe auf Bio umgestellt. Das Bundesland Salzburg ist hier Vorreiter: Während in Österreich 22,4 Prozent der Landwirtschaften biologisch arbeiten, ist in Salzburg jeder zweite Hof ein Biobetrieb.

4 von 5 Arbeitskräften sind Familienmitglieder

In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Landwirtschaftsbetriebe um 11 Prozent zurückgegangen, dafür sind die Höfe größer geworden. Im Schnitt hat heute ein landwirtschaftlicher Betrieb eine bewirtschaftete Fläche von 44,9 Hektar. 57 Prozent aller Landwirte sind Nebenerwerbsbauern. Das Rückgrat der heimischen Landwirtschaft sind die Familien, vier von fünf Arbeitskräften sind laut Statistik Austria Familienmitglieder. 2020 waren in der Land- und Forstwirtschaft 420.018 Personen beschäftigt, nur 84.000 Arbeitskräfte waren keine Familienmitglieder, in der Regel Saisonarbeiter. Im Schnitt hatte jeder Betrieb 1,42 Arbeitskräfte. Mehr als ein Drittel wurde von Frauen geführt.

Rentiert es sich nicht mehr, gibt man auf. Das war Anfang der 90er-Jahre so und ist auch heute oft der Fall. Viele Kinder aus landwirtschaftlichen Betrieben wollen den enormen Arbeitseinsatz ihrer Eltern, der selten im erzielten Erlös abgebildet ist, nicht mehr mittragen. Als das Ehepaar Wind auf Selbstvermarktung umgestiegen war, hätten auch andere Kollegen damit geliebäugelt, erzählt Gottfried Wind. Oft begeisterten sich die Frauen, doch die Männer zogen nicht mit. Dazu kam, dass man sich diese neue Zukunft des Verkaufens gar nicht vorstellen konnte, immerhin gab es bis dahin nur drei oder vier Mal im Jahr Gelegenheit, bäuerliche Produkte auf einem Markt zu verkaufen.

Am Greilhof packte man die sprichwörtliche Kuh an den Hörnern, investierte in ein Lieferauto und einen ordentlichen Marktwagen und nahm hin, was die Behörden und die EU sich für die Bauern so ausdachten. So wurden beispielsweise die Vorschriften strenger, etwa was die Tierhaltung betrifft oder die baulichen Einrichtungen. Gottfried Wind winkt ab und sagt: "Wir haben das einfach umgesetzt und auch über die Agrarpolitik der EU nicht groß nachgedacht. Wir müssen erwirtschaften, was möglich ist, und auf unseren Betrieb schauen. Wobei: Ich bin froh, dass ich diese Vorschriften nicht mehr umsetzen muss, mir würde für vieles das Verständnis fehlen."

Die Söhne führen fort und sind zufrieden

Ein eingespieltes Team: Philip (40) und Simon Wind (29).
Ein eingespieltes Team: Philip (40) und Simon Wind (29).

Nachdem der ältere Sohn Philip die Landwirtschaftsschule beendet hatte, stieg er in den elterlichen Betrieb ein. Er hängte den landwirtschaftlichen Meister an und neben seiner damals schon tagfüllenden Arbeit absolvierte er im Abendkurs die Ausbildung zum Metzgermeister. Wenn er nun auch hier Meister ist, kann man den Betrieb gleich um eine Metzgerei erweitern, dachte er sich. Die dort entstandenen Produkte vertrieb er damals mit Mutter Adelheid auf drei Wochenmärkten in Salzburg; dort erwirtschaftet die Familie noch immer rund 80 Prozent ihres Umsatzes, den Rest im Bauernladen im Tamsweger Zentrum und am Freitagvormittag am dortigen Wochenmarkt. Das Fleisch für ihre Produkte kommt aus dem eigenen Stall oder von Bauern in der Nähe. Auch deshalb haben die Brüder ihre Metzgerausbildung gemacht, da Landwirte kein Fleisch von anderen Betrieben verarbeiten dürfen. Von jedem Tier, das in ihrem Schlachthof landet, kennen die Brüder den Stall, in dem es aufwuchs. Geschlachtet wird in der am Greilhof angebauten Metzgerei, Philip ließ das Gebäude eigens so planen, dass die Tiere bis zuletzt keinen Stress erfahren. Montags ist immer Schlachttag, da wird auch die Ware für die Woche verarbeitet.

"Wir könnten in unserer Metzgerei nicht für die Masse produzieren und wollen das auch nicht. Ich denke, Massentierhaltung hat ein Ablaufdatum, Österreich könnte sich mit hochwertigen Produkten etablieren."
Philip Wind
Landwirt und Metzger in Tamsweg

Sich selbst und den Kunden verpflichtet

Laut dem aktuellen "Grünen Bericht" der Landwirtschaftskammer lagen 2022 die durchschnittlichen Einkünfte in einem landwirtschaftlichen Betrieb in Österreich bei 45.757 Euro pro Jahr, das sind um 42,3 Prozent mehr als im Vorjahr, wobei das Umsatzplus in Biobetrieben bei nur 18,2 Prozent lag. Der größte Einkommenszuwachs wurde im Futterbaubetrieb erzielt, aber auch mit der Veredelung, also der Weiterverarbeitung von landwirtschaftlichen Produkten, lässt sich tendenziell mehr Geld verdienen.

Ein großer Vorteil der Selbstvermarktung ist die Preisbildung. Während die meisten Bauern den natürlichen Ertragsschwankungen und sich stark verändernden Weltmarktpreisen ausgesetzt sind und zudem von den Handelspartnern abhängig sind, ist man als Selbstvermarkter nur sich und den Endverbrauchern verpflichtet. Diese Vorstellung gefällt der Familie, auch im Hinblick auf die Zukunft des Landes: Die sieht Landwirt Philip Wind darin, gute Produkte zu erzeugen, für die Menschen gern Geld ausgeben. "Am Greilhof können und wollen wir nicht für die Masse produzieren. Abgesehen davon hat die Massentierhaltung, die immer stärker in die Kritik kommt, meiner Meinung nach ohnehin ein Ablaufdatum. Man kann sich in Österreich schon mit hochwertigen Sachen etablieren."

Gemeinsames Frühstück um halb sieben

Am Greilhof packt die gesamte Familie mit an. An Markttagen beginnt die Arbeit um ein Uhr nachts, wenn der Lieferwagen beladen werden muss, sonst um vier Uhr in der Früh. Um halb sieben wird gemeinsam in Philips und Corinnas Küche gefrühstückt, dort gibt es auch das Mittagessen. Philips Ehefrau Corinna, seit 2013 in der Familie, stammt aus dem Murtal, war Chemielabortechnikerin und stand vor der Frage, wie sie beruflich weitermachen sollte. Philip lud sie ein, mit ihm zum Schnuppern nach Salzburg auf den Wochenmarkt zu fahren. Obwohl der Tag ungewöhnlich turbulent war, packte Corinna ihre Sachen und zog nach Tamsweg.

Der um elf Jahre jüngere Bruder Simon lernte in einem Hotelbetrieb in Sankt Johann den Beruf des Kochs/Kellners. Seine Claudia kennt er schon seit der Schulzeit, sie ist ebenfalls Köchin. Das Paar wollte sich eigentlich in der Landeshauptstadt niederlassen, kehrte aber nach 14 Tagen wieder in den Lungau zurück. Eigentlich hatte Philip damals geplant, einen Lehrling einzustellen, das Inserat war schon aufgegeben und Bewerbungen eingetroffen, als Simon vor ihm stand und fragte, ob er nicht bei ihm arbeiten könne. Ein Segen für Philip, der durch die erste Schwangerschaft seiner Gattin ohnehin noch mehr Arbeit zu bewerkstelligen hatte. Und zuletzt kam Simons heutige Frau Claudia hinzu, die nach ihrer Kochlehre, ihrer Ausbildung zur Hotel- und Gastgewerbeassistentin und einem kurzen Zwischenstopp in einem Büro als neue Arbeitskraft am Greilhof anheuerte.

Simon und Claudia leben mit ihren Tieren, darunter Pfaue und Minischweine, im 20 Kilometer entfernten elterlichen Hof von Claudia. Philip, Corinna und die Eltern wohnen am Greilhof. Jeder in der Familie hat seinen Aufgabenbereich, jeder weiß, was zu tun ist, damit alles wie am Schnürchen klappt. So etwas wie Neid oder Missgunst gebe es in der Familie nicht, betont Mutter Adelheid. Gibt es Probleme, werden sie direkt angesprochen. Philip Wind sagt: "Das Ziel muss sein, dass die Kundschaft zufrieden ist und wir uns gut auf den Märkten präsentieren können, mit denen wir eine gute Partnerschaft pflegen. Wobei: Wenn mir jemand sagt, was ich besser machen kann, höre ich gern zu."

Es hätte ja auch ganz anders kommen können, oder? "Ich glaube nicht", sagt Adelheid Wind. "Wir hatten früher nie Urlaub, die Kinder haben immer mitgearbeitet und sobald sie über ihr eigenes Geldtascherl verfügten, durften sie mit auf die Märkte." Philip Wind ergänzt: "Wir sind einfach hineingewachsen, es hat sich alles super entwickelt. Womit ich aber nicht gerechnet hätte, ist, dass Simon daheim mitarbeiten will. Bei ihm dachte ich immer, den zieht es in die Welt hinaus."

Simon grinst, es sieht nach Zustimmung aus.

Dieser Artikel stammt aus dem Magazin "DIE BESTEN- Das Karrieremagazin".