Streng genommen ist es nicht der Schmied, der gern als erster Beruf in der Menschheitsgeschichte genannt wird, sondern der Bauer. Immerhin braucht es erst einmal ein Tier zum Schlachten, bevor das Messer zum Einsatz kommt. Freilich, den Bauernhof bringt man eher mit Familien und Nebenerwerb in Verbindung als mit einem Produktionsbetrieb oder einem Dienstleister, der bezahltes Personal beschäftigt. Der Bauer hingegen zählt seine Arbeitsstunden nie. Er produziert seit jeher, was es zum Leben braucht. Was übrig blieb, wurde auf Märkten verkauft. Dann kamen Handelspartner, die den Bauern sagten, was der Markt brauchte: mehr Fleisch, Biomilch oder Ziegenkäse. Der Bauer produzierte. Und es kam die EU mit ihren Subventionen, aber das ist eine andere Geschichte.
Bei Gottfried und Adelheid Wind aus Tamsweg kam die Molkerei, die ihnen mitteilte, man könne deren Ziegenkäse nicht weiter vermarkten, das sollten sie bitte künftig selbst tun. So wurden sie Selbstvermarkter und ihre Geschichte, die hier erzählt werden soll, zeigt eines: Die Gesetze des Marktes gelten auch für die Landwirtschaft. Es braucht auch hier neue Lösungen, kluge Umsetzer und manches Mal auch Mut.
Zum ersten Mal blieb Geld übrig
Nachdem Adelheid Winds Vater überraschend gestorben war, übernahm sie mit ihrem Mann Gottfried 1987 den elterlichen Greilhof. Von der Molkerei kam noch zu Lebzeiten des Vaters die Empfehlung, es doch mit Ziegen zu versuchen, die Milch würde ihnen abgenommen. So führte das Ehepaar seinen Landwirtschaftsbetrieb mit Ziegen und produzierte daraus Käse. Als die Kooperation seitens der Molkerei beendet wurde, fragten sie sich: was tun? Auf die Einkünfte aus der Nebenerwerbslandwirtschaft war das Paar nicht wirklich angewiesen, da beide ihre Berufe hatten. Rasch reifte der Entschluss, es mit Selbstvermarktung zu versuchen, auch, um den elterlichen Betrieb zu erhalten. Recht unerschrocken packten Adelheid und Gottfried Wind an einem Donnerstag im Jahr 1990 die Ware zusammen und fuhren auf die Salzburger Schranne. "Zum ersten Mal blieb uns etwas im Geldtascherl, das war wie ein Lottosechser", erinnert sich Adelheid Wind.
Dem Ehepaar kam der damalige Lifestyle entgegen: Bauernmärkte begannen populär zu werden, die junge Biobewegung nahm Fahrt auf, Lebensmittelallergiker fanden in Ziegenmilchprodukten gute Alternativen und waren auch bereit, dafür Geld auszugeben. Kurze Zeit später wurden das erste Schwein und das erste Kalb geschlachtet, das Ehepaar begann mit der Wurst- und Speckproduktion, zu Beginn noch am Küchentisch. Wie vielen anderen Biobauern blies dem Ehepaar Wind dieser sprichwörtlich oft um die Ohren. Mit ihrer Idee der Selbstvermarktung wurden sie belächelt. Doch waren sie Vorreiter in einer Branche, die sich ihren Boden erkämpfen musste.
Damals war die Biobewegung in Österreich noch recht überschaubar. 1979 hatte die Vorgängerorganisation von Bio Austria nur 200 Mitglieder, zehn Jahre später nicht recht viel mehr. Das änderte sich, als Supermärkte ab den 1990er-Jahren begannen, Bioprodukte ins Sortiment zu nehmen. 1995 hatten in Österreich schon 20.000 Landwirtschaftsbetriebe auf Bio umgestellt. Das Bundesland Salzburg ist hier Vorreiter: Während in Österreich 22,4 Prozent der Landwirtschaften biologisch arbeiten, ist in Salzburg jeder zweite Hof ein Biobetrieb.
4 von 5 Arbeitskräften sind Familienmitglieder
In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Landwirtschaftsbetriebe um 11 Prozent zurückgegangen, dafür sind die Höfe größer geworden. Im Schnitt hat heute ein landwirtschaftlicher Betrieb eine bewirtschaftete Fläche von 44,9 Hektar. 57 Prozent aller Landwirte sind Nebenerwerbsbauern. Das Rückgrat der heimischen Landwirtschaft sind die Familien, vier von fünf Arbeitskräften sind laut Statistik Austria Familienmitglieder. 2020 waren in der Land- und Forstwirtschaft 420.018 Personen beschäftigt, nur 84.000 Arbeitskräfte waren keine Familienmitglieder, in der Regel Saisonarbeiter. Im Schnitt hatte jeder Betrieb 1,42 Arbeitskräfte. Mehr als ein Drittel wurde von Frauen geführt.
Rentiert es sich nicht mehr, gibt man auf. Das war Anfang der 90er-Jahre so und ist auch heute oft der Fall. Viele Kinder aus landwirtschaftlichen Betrieben wollen den enormen Arbeitseinsatz ihrer Eltern, der selten im erzielten Erlös abgebildet ist, nicht mehr mittragen. Als das Ehepaar Wind auf Selbstvermarktung umgestiegen war, hätten auch andere Kollegen damit geliebäugelt, erzählt Gottfried Wind. Oft begeisterten sich die Frauen, doch die Männer zogen nicht mit. Dazu kam, dass man sich diese neue Zukunft des Verkaufens gar nicht vorstellen konnte, immerhin gab es bis dahin nur drei oder vier Mal im Jahr Gelegenheit, bäuerliche Produkte auf einem Markt zu verkaufen.
Am Greilhof packte man die sprichwörtliche Kuh an den Hörnern, investierte in ein Lieferauto und einen ordentlichen Marktwagen und nahm hin, was die Behörden und die EU sich für die Bauern so ausdachten. So wurden beispielsweise die Vorschriften strenger, etwa was die Tierhaltung betrifft oder die baulichen Einrichtungen. Gottfried Wind winkt ab und sagt: "Wir haben das einfach umgesetzt und auch über die Agrarpolitik der EU nicht groß nachgedacht. Wir müssen erwirtschaften, was möglich ist, und auf unseren Betrieb schauen. Wobei: Ich bin froh, dass ich diese Vorschriften nicht mehr umsetzen muss, mir würde für vieles das Verständnis fehlen."

