Ihre neue Kollektion "Vacation on the Moon" ist im Februar erschienen. Ihre Designs sind extravagant, experimentell. Wer kauft Ihre Mode?
Florentina Leitner: Wir machen immer einige Sachen, die zum Brand Image gehören. Wir nennen das Semicouture: besonders extravagante Stücke, die den Charakter der Marke und der Kollektion verdeutlichen. Die Couture Pieces existieren nur ein oder zwei Mal. Meine Zielgruppe sind selbstbewusste Frauen von Mitte 20 bis Mitte 30, die Farbe tragen und Figur zeigen wollen. Auch Lady Gaga hat einmal einen Mantel von mir bestellt. Sie wollte ein Outfit zu ihrem "Chromatica"-Album. Ich habe einen Mantel aus Kunstpelz in knalligem Pink und mit viel Schwarz designt. Das war ein cooles Erlebnis.
Zu welchen Anlässen kann man einen Ihrer hautengen Ganzkörperanzüge zum Beispiel tragen?
Die Catsuits sind super Underlayers beim Skifahren - coole Kleidungsstücke, die den ganzen Körper schützen. Viele meiner Kunden tragen die Catsuits auch beim Ausgehen. Ich habe viele amerikanische Kunden, von denen ich Fotos bekomme, wie sie beim Feiern gestylt sind.
Ist es nicht ziemlich umweltschädlich, Mode zu produzieren, die oft nur ein Mal auf dem Laufsteg getragen wird?
Natürlich werden einige Sachen produziert, die nicht im Store erhältlich sein werden. Nachhaltigkeit ist mir aber sehr wichtig. Ich lasse in Europa herstellen, das ist ein Qualitätsmerkmal, das man von Haute Couture kennt. Befreundete Designerinnen haben mir Kontakte zu italienischen Firmen ermöglicht. So haben wir keine Lieferwege nach Asien oder Bangladesch. Unsere Leute werden fair bezahlt und wir produzieren nicht in riesigen Mengen, was ein wesentlicher Faktor ist. Wir sind kein Fast-Fashion-Betrieb und versuchen, das, was wir herstellen, auch wirklich zu verkaufen. Daraus ergeben sich natürlich höhere Preise, aber unsere Kunden schätzen unser Konzept und sind bereit, mehr zu zahlen.
Die Ideen für Ihre neue Kollektion "Vacation on the Moon" kommen von einem Urlaub am Mondsee. Was hat Sie dort inspiriert?
Seit ich ein Kind bin, verbringe ich die Ferien irrsinnig gerne im Salzkammergut. Dieses Jahr bin ich mit meinem Freund, einem Belgier, zum Mondsee gefahren. Mondsee - der Name klingt schon so mystisch. Ich wollte meine Heimat schon immer in meine Kollektionen einbinden, es gibt nicht viele Designer aus Österreich. Mit der Kollektion möchte ich die Geschichte von Österreichern erzählen, die ihren Urlaub zwischen Mond und Mondsee verbringen. Es gibt Faltenröcke und Segelhüte und Elemente wie Schwäne oder Blumen wie das Edelweiß.
Wie würden Sie als Designerin den Modestil der Österreicher und Österreicherinnen beschreiben?
Traditionell und etikettenbewusst. Ich mag es, dass Österreich noch so eine große Ballkultur hat und sich für Events in bestimmten Dresscodes kleidet. Das ist etwas, das man nicht mehr in vielen Ländern sieht. Auch die Liebe zur traditionellen Tracht und die handgearbeiteten Kleidungsstücke finde ich toll.

Sie kommen aus Mödling, einer Vorstadt von Wien, leben jetzt aber auch die halbe Zeit in Belgien, wo Sie ein Atelier haben. Seit wann interessieren Sie sich für Mode?
Mit 13 Jahren habe ich mir in den Kopf gesetzt, auf die Modeschule Hetzendorf in Wien zu gehen. Meine Mutter war verwundert, da ich in handwerklichen Dingen nicht wirklich gut war in der Schule. Aber ich habe ihr bewiesen, dass es eine gute Entscheidung für mich war.
Sie haben voriges Jahr die Fashion Week in Berlin eröffnet. Eine beeindruckende Karriere mit 25 Jahren. Wie haben Sie das geschafft?
Ich war von jungen Jahren an überzeugt, dass ich in der Mode arbeiten möchte. Deshalb war ich von Beginn an sehr zielstrebig. Die Schule zum Beispiel hat mir irrsinnig viel Spaß gemacht. In die kreativen Bereiche habe ich viel Zeit investiert. An der Königlichen Akademie der Schönen Künste in Antwerpen, wo ich 2020 meinen Master gemacht habe, haben uns die Lehrer sehr unter Druck gesetzt. Dem wollte ich gerecht werden. Am Anfang waren wir siebzig Studenten, abgeschlossen haben neun. Es war eine harte Schule, ich habe viel gelernt, viele Nächte durchgearbeitet und versucht, mit jeder Kollektion und jeder Zeichnung besser zu werden. Danach habe ich eine Anstellung bei Dries Van Noten als Damenmode-Designerin bekommen.
Wie haben Sie die Zeit bei Dries Van Noten erlebt?
Ich habe viel darüber gelernt, wie ein großes Modehaus aufgebaut ist und wie man in einem Team von anderen Kreativen arbeitet. Mein Team bei Dries habe ich sehr gerngehabt, aber dann bemerkt, dass ich doch lieber mein eigenes Label starten möchte.
Andere haben auch Modeschulen besucht, aber eröffnen keine Fashion Weeks. Sie müssen irgendetwas anders gemacht haben.
Ich setze mir immer Zwischenziele, auf die ich mich fokussiere. Vor ein paar Jahren hatte ich das Ziel, in der "Vogue" zu stehen, das habe ich erreicht. Dann wollte ich auf einer Fashion Week vertreten sein. Mein nächstes Ziel ist es, meine Mode in Paris zu präsentieren und meinen Kundenstamm internationaler zu machen. Außerdem möchte ich meine Kleider in mehreren Shops verkaufen.
Wie haben Sie den Auftrag für die Fashion Show erhalten?
Als ich an meiner Kollektion gearbeitet habe, habe ich mir überlegt, wo ich sie zeigen kann. Ich hätte sie gerne auf der Fashion Week präsentiert, habe aber die Anmeldung verpasst. Dann hatte ich auf einmal ein E-Mail von Mercedes-Benz (Sponsor der Fashion Week, Anm. d. Red.) im Postfach. Am Anfang dachte ich, das sei Spam - war es aber nicht. Mercedes-Benz hat mich nach Berlin eingeladen, mit dem Angebot, die Show zu eröffnen. Die Automarke ist immer auf der Suche nach talentierten jungen Leuten.
Wie war es für Sie, die Modenschau zu organisieren?
Es war supercool, hat aber auch irrsinnig viel Energie gekostet. Die Kosten hat zum Glück Mercedes-Benz übernommen. Als Brand muss man normalerweise die Models bezahlen, deren Styling und die Location. Eine Modenschau zu organisieren ist etwas sehr Kostenintensives. Die Fashion Packages starten bei 10.000 Euro, Prada oder jemand, der gut im Business ist, legt leicht 200.000 Euro hin.
Wie lässt sich der Stil Ihrer Mode am besten beschreiben?
Eine Zeit lang habe ich sehr viel Rüschchenkleider mit Blumenmustern designt. Es war eine sehr kindliche Herangehensweise, ich mag es girly und verspielt. Mit jeder Kollektion entwickle ich mich weiter. Meine letzten Kollektionen waren eher elegantere, es waren viele Abendkleidungsstücke dabei. Aber die Verspieltheit und die feminine Silhouette habe ich beibehalten, das macht mein Label aus.
In der "Vogue" sagten Sie, dass Sie Mode nicht zu ernst nähmen.
Ich glaube, das war ein bisschen falsch verstanden. Ich nehme Mode ernst, aber man darf sie manchmal nicht zu ernst nehmen. Ich finde es gut, wenn Leute in ihrem Kleidungsstil einen Hang zum Humor haben und nicht immer nach der Etikette gehen, sondern auch mal aus der Norm heraustreten und zum Beispiel ein Ballkleid untertags tragen.
Tragen Sie Ihre eigene Kleidung?
Natürlich habe ich meine ganzen Prototypen im Kleiderschrank hängen. Ich ziehe gerne meine eigenen Sachen an, das ist mein Stil und man selbst ist der beste Brand Representative. Meinen Kleidungsstil generell würde ich als sehr eklektisch beschreiben. Was ich anziehe, hängt stark von meiner Stimmung ab. Gerade trage ich glitzernde Schuhe von Bottega Veneta und einen Tracksuit von Adidas. Vor Kurzem habe ich mir ein irrsinnig schönes Vintage-Ballkleid gekauft, das werde ich bei einem Ausflug zum Schloss Fuschl anziehen. Ich versuche, andere junge Designer zu tragen und diese dadurch zu unterstützen. Zurzeit trage ich beispielsweise sehr gerne Kleidung von Cormio. Die junge Designerin befindet sich aktuell in der gleichen Lebensphase wie ich, war mit mir in der Akademie und hat eine Strick-Brand gegründet.
"Fast Fashion versuche ich zu vermeiden."
Sie kaufen also keine Kleider bei H&M und Zara?
Nein, das versuche ich zu vermeiden. Mein Kleiderschrank ist nicht so groß, wie man es bei einer Designerin vielleicht erwarten würde. Ich versuche, Kleidung von jungen Designern oder Vintage zu kaufen und Fast Fashion so zu umgehen.
Das muss man sich leisten können.
Nein, das muss man sich leisten wollen. Ein Designerstück hat einen Wert, wenn es gut behandelt wird, kann man es wieder verkaufen. Ich tausche viel unter Freunden und verkaufe meine Sachen auf Vinted. Es gibt ja mittlerweile viele tolle Tauschbörsen im Internet. Wenn etwas seit Jahren im Kasten hängt, ist niemandem dabei geholfen. Mit Markenprodukten ist das Weiterverkaufen einfach. Bei einem Prada-Schuh bleibt die Qualität, im Gegensatz zu einem Stück von H&M, bestehen. Auch für eine Chanel-Tasche oder einen Hermès-Gürtel findet man immer einen Käufer. Ich hoffe, dass das mit meinen Produkten auch so gemacht wird. Ich glaube an das Long-lasting Life von guten Kleidungsstücken.