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Mal ganz woanders Ski fahren - hoch hinaus in den französischen Alpen

Von Les Menuires bis Courchevel. Das riesige Skigebiet "3 Vallées" in den französischen Alpen ist nicht nur Schauplatz der alpinen Ski-WM 2023.

Die Tiefschneehänge über Les Menuires locken viele Freerider.
Freut sich auf die Ski-WM: Marie Marchand-Arvier.
WM-Piste Ö
Ö in Vorbereitung.
Krönender Abschluss am Horizont: der Mont Blanc.
Warten auf die Damenrennen: Roc de Fer.
Der Steinbock von Val Thorens ist das Fotomotiv auf der Pointe de la Masse hoch über Les Menuires.
Serge Jay und seine Schafe.
Das Dorf Saint-Martin-de-Belleville im Schnee.
Winteridyll hoch über Saint-Martin.

Marie Marchand-Arvier kommt aus Lothringen. Weit entfernt von Pisten und Gipfeln, dennoch wurde die 37-Jährige Super-G-Vizeweltmeisterin und hat nun die Kommunikation für den kommenden Riesenevent unter ihre Fittiche genommen: die alpine Ski-WM 2023 in Méribel-Courchevel. Sie sieht der Sache mit Vorfreude entgegen, denn "wir haben Erfahrung im Veranstalten von Groß-Events". Man denke nur an die WM 2009 in Val d'Isère oder gar die Olympischen Spiele in Albertville 1992. Nun also Courchevel-Méribel.

An Marchand-Arviers erklärter Lieblingspiste "Roc de Fer" wird bereits gearbeitet, um sie für die Damenbewerbe WM-fit zu machen. Und auch Teile der "L'Eclipse", legendäre Piste und im Schnitt steiler noch als die Streif, wurden neu gemacht, um den FIS-Kriterien für die fünf Herren-Rennen zu entsprechen. Apropos: "Wir arbeiten mit dem TV-Produktionsteam von Kitzbühel", freut sich die Französin, "allein auf der ,L'Eclipse' kommen zwei Drohnen und 48 Kameras zum Einsatz." Der seltsame Name der Piste - "Finsternis" - komme davon, dass man vom ersten, sonnigen Teil abrupt in den Schatten hoher Bäume rase, und plötzlich kaum mehr etwas sehe. "Und je weiter es runtergeht, desto steiler und eisiger wird's." Mikaela Shiffrin ist hier im letzten Jahr dennoch ein Rekordsprung von 56 Metern gelungen.

Zurück nach Méribel. Ehe sich die Fanzonen und die 200.000 Betten füllen, lassen sich die Schatten des Tals und die Gänsehaut der Steilhänge ganz leicht wieder abschütteln mit einer flotten Gondelfahrt von Méribel zurück auf die 2437 Meter hohe Tougnète. Bei Weitem nicht die höchste Bergstation, das wäre der Cime Caron auf 3200 Metern, aber eine mit wunderbarer Fernsicht, Mont-Blanc-Blick inklusive. Und eine mit gutem Überblick über das Angebot. Mit 600 Pistenkilometern in einem zusammenhängenden Liftverbund ist das Skigebiet "3 Vallées" das größte der Welt. Mit sehenswerten Gipfeln, die von 2129 bis 3230 Meter hoch sind, der höchste Spitz der Vanoise-Kette, der Grande Casse, sogar 3852 Meter. 85 Prozent des Skigebiets liegen über 1800 Meter Seehöhe, was für Schneesicherheit sorgt. Dazu Gletscherabfahrten oberhalb von Val Thorens, Steilrinnen für geübte Freerider, Kinderländer, Snowparks.

Die etwas klobigen Hotels, die in den 1970ern mitten ins Hochgebirge gesetzt wurden, haben künstliche Touristendörfer geschaffen, allein im Tal Belleville halten 3500 Einwohner 60.000 Betten für die Gäste bereit. Vor allem im Winter. Manche geben sich schick, wie Val Thorens, andere familienfreundlich, wie Les Menuires. Nur wenige kleine Dörfer haben sich typisch savoyardische Struktur und Charme bewahrt. Saint-Martin-de-Belleville ist
eines davon. 1983 als letzter Skiort an das Skigebiet "3 Vallées" angebunden, zeigt es sich als hübsches, tief verschneites Bergdorf. Früher warb man im Sommer mit Diskontpreisen, jetzt setzt man zunehmend auf Qualitätsgäste und bietet auch Luxus-Chalets an.

Durchs Tal ziehen Barockstraßen und Pilgerwege. Auf einer davon liegt die Kirche Notre-Dame de la Vie, zwischen Saint-Martin und Les Menuires. Nach dem Fund einer Marienstatue in einem Baum wurde im 17. Jahrhundert die Kirche errichtet. Berühmt und eine fixe Station auf den Pilgerwegen ist sie wegen ihrer Votivbilder, die die Wände schmücken. Noch viel älter ist die Kirche von Saint-Martin mit ihrem romanischen Glockenturm. Alle zwei Wochen finden hier Konzerte statt, von Jazz und Klassik bis hin zu World Music und dem Musikfestival "Baroque en Tarentaise" im Sommer. Gleich nebenan wurde eines der ältesten Häuser des Dorfs aus dem Jahr 1450 restauriert und zeigt anschaulich als eine Art Heimatmuseum das - einst recht harte - Leben hier knapp unter der Baumgrenze. Im Erdgeschoß, unter dicken Gewölben, die das Haus mit den schweren Schieferschindeln zu stützen hatten, hausten im Winter Mensch und Vieh nebeneinander, nur durch hölzerne Gatter getrennt. In den oberen Stockwerken wird recht hübsch die "Karriere" des Tals und seiner Nachbarn erklärt - von der rauen Heimstätte trotziger Überlebenskünstler zum weltgrößten Skigebiet. Von den Anfängen des Wintertourismus durch spleenige Engländer erzählen Tafeln, Videos und Audioguide, vom staatlichen "Plan neige", dem "Schneeplan" nach dem Zweiten Weltkrieg, der in drei "Generationen" die erwähnten Bettenburgen entstehen ließ.

Nicht alle leben hier vom Wintertourismus. Serge Jay etwa produziert auf seinem Bauernhof am gegenüberliegenden Hang von Saint-Martin die Käsesorten Tomme und Sérac, dazu Joghurt und im Sommer auch Eiscreme. Ohne Zusatzstoffe. Er kennt den Namen von jedem seiner rund 70 Schafe und käst täglich mit der frischen Morgenmilch. Wer Serges Käse beim Greißler sucht, geht leer aus. Er verkauft nur ab Hof oder an die lokale Spitzengastronomie. "Ich habe Glück", sagt er, "die Leute kommen nach Voranmeldung und holen ihren Käse ab." Gut für ihn, Pech für allfällige Passanten. Eineinhalb Liter gehaltvolle Milch gibt ein Schaf pro Tag, sechs Liter braucht er für einen Kilo Käse. Im dunklen Keller reifen die Laibe bei sechs bis acht Grad, alle zwei Tage werden sie umgedreht und mit der Hand abgerieben, denn "der Teil auf dem Brett kann ja nicht atmen". Nach drei Wochen ist der Käse fertig und wird um einen erstaunlich moderaten Preis verkauft. Warum? "Eines Tages sind Touristen vorbeigekommen, die hatten nicht viel Geld. Da dachte ich mir, das ist doch schade, wenn sich Leute keinen guten Käse leisten können."

So bleibt allemal noch etwas übrig für ein Glas Champagner und einen gepflegten Imbiss in Bergrestaurants wie "Maya Altitude" oder "Pépé Nicolas", samt Sonnenterrasse und Lounge-Music. Mit der letzten Abfahrt kann man sich dann Zeit lassen, in den Hotels in Les Menuires und Saint-Martin wird ohnehin auf Ski-in-Ski-out-gesetzt. Und - nach bester französischer Tradition - auf feine, savoyardische Küche zum Tagesausklang.

INFORMATION

Das Skigebiet in Zahlen

600 Pistenkilometer, 160 Lifte, davon 54 auch für Wanderer benützbar. 160 Pistenkilometer allein in Les Menuires, dazu fünf Fun Areas und die neue 10er-Gondel La Masse - in acht Minuten auf 2804 Meter mit Rundum-Panorama.

Wochenkarte: 350 Euro.

www.les3vallees.com , www.lesmenuires.com

Schlafen, Wohnen, Essen

Neuer Luxus im Bergdorf Saint-Martin-de-Belleville: M Lodge, im Dezember eröffnet, mlodge.fr/en/;

Higalik, neues Hotel, stylisch und an der Piste in Les Menuires, higalik-hotel.com/en/

Günstiger Tipp für Familien und Freundesgruppen: die zahlreichen Apartments in Les Menuires.

Urig: Die Hütte Refuge du Lac du Lou, Bettenlager, Schlafen und Hausmannskost für Freerider und Tourengeher, refugedulacdulou.com

Info zur Destination

www.lesmenuires.com , st-martin-belleville.com/de/,

www.france.fr/de

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