Seit Anfang März ist es möglich, Mietgeschäfte digital abzuwickeln. Das österreichische Maklernetzwerk Immobilienring hat dafür eine eigene Software entwickelt.
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Mietprozesse, die bislang zwischen Makler, Mieter und Vermieter physisch stattfinden mussten, können nun virtuell abgewickelt werden.
Es tut sich so einiges in der Immobilienbranche: Beinahe zeitgleich mit dem Beschluss des Bestellerprinzips im Nationalrat lässt aktuell auch der österreichische Immobilienring mit einem neuen Vorstoß aufhorchen.
Das nach eigenen Angaben größte Maklernetzwerk Österreichs startet mit März den ersten Testbetrieb für einen digitalen Mietprozess. Möglich wird diese Entwicklung durch ein cloudbasiertes Tool, das der Immobilienring gemeinsam mit dem Wiener Unternehmen Advoodle konzipiert hat. Seit Monatsbeginn ist es damit möglich, Interaktionen, die bislang zwischen Makler, Mieter und Vermieter physisch stattfinden mussten, virtuell abzuwickeln.
Mietgeschäfte bequem online erledigen
"Das neue Tool bringt einen enormen Servicegewinn für alle Beteiligten", ist Thomas Lainer, Vizepräsident des Immobilienrings, überzeugt. "Nur ein nennenswerter Vorteil ist, dass sich Kunden oder Interessenten nicht mehr an Geschäftszeiten orientieren müssen. Wie auch beim E-Government oder beim Onlinebanking wird mit unserem Tool die Möglichkeit geschaffen, Mietgeschäfte von zu Hause aus zu erledigen." Erleichterungen soll die Software aber auch für den eigenen Bereich bringen.
Weniger admininstrativer Aufwand bei Immobiliengeschäften
"Der administrative Aufwand hat sich in der Immobilienbranche über die Jahre deutlich erhöht", berichtet Lainer. "Es wird oft übersehen, wie viele Arbeiten abseits der Besichtigungen erledigt werden müssen." So etwa, Mieter oder Käufer als Auftraggeber über sämtliche Umstände aufzuklären, die für die Beurteilung der zu vermittelnden Geschäfte wichtig sind. Oder auch Recherchen durchzuführen, die - im Eigentumsbereich - von der Prüfung der Mittelherkunft bis hin zur Abfrage exponierter politischer Personen reichen. Alles in allem, so der Makler, stelle dies einen nicht zu unterschätzenden Arbeitsaufwand dar, der mithilfe des neuen Tools langfristig eingedämmt werden soll.
"Das Immobiliengeschäft ist ein sehr persönliches Geschäft."
Thomas Lainer, Immobilienring
Lainer: "Unser Ziel ist es, die Officetätigkeiten so weit zu kanalisieren, dass wir wieder mehr Zeit für die persönliche Betreuung unserer Kunden gewinnen. Schließlich ist das Immobiliengeschäft ein sehr persönliches Geschäft und das soll es auch bleiben."
Wie läuft ein digitaler Mietprozess nun tatsächlich ab?
"Die Wohnungsbegehungen finden natürlich wie eh und je physisch statt", erklärt der Makler. "Daran soll und wird sich auch in Zukunft nichts ändern." Neu ist: Der Mietinteressent respektive die -interessentin erhält bei der Besichtigung einen QR-Code vom Makler, mit dem er oder sie sich in das System einloggen kann. Sobald das passiert ist, werden für die potenziellen Mieter die Projektdaten bereitgestellt und es können Vertragserklärungen abgegeben werden. Die Wohnungsanwärter sind dann in Echtzeit an dem Verfahren beteiligt. "Sie sehen auch, wann und ob ihr Angebot angenommen wurde oder nicht", erklärt Lainer. "Eine Vergabe unter der Hand bleibt somit ausgeschlossen. Derjenige Interessent, der den Zuschlag bekommt, erhält schließlich einen dauerhaften Zugriff auf den Datenraum, in dem alle relevanten Daten und Informationen hinterlegt sind."
Das bleibt auch so, bis die Mieterin, der Mieter wieder auszieht. Bei der Wohnungsrückgabe können sie schließlich wieder über jene Daten verfügen, die im System archiviert sind, wie etwa das Übergabeprotokoll zum Zeitpunkt des Einzugs.
Hohe Transparenz und Rechtssicherheit bei digitalen Mietgeschäften
Einen zentralen Vorteil erkennt Andreas Böcskör, Geschäftsführer des Unternehmens Advoodle, in der hohen Transparenz des digitalen Prozedere: "Der Mieter respektive die Mieterin weiß von Beginn an jederzeit darüber Bescheid, wo er bzw. sie steht und welche notwendigen Schritte noch zu setzen sind, um eine Wohnung zu mieten." Gleichermaßen am Prozess beteiligt sind natürlich auch Vermieter und Makler. Böcskör: "Alle Beteiligten erhalten einen Just-in-time-Überblick zum aktuellen Stand der Vermietung." Als besonders positiv wertet der Jurist außerdem die hohe Rechtssicherheit, die sich durch den Digitalisierungsprozess ergibt: "Es gibt keine Dinge mehr, die - gewollt oder ungewollt - unter den Tisch fallen könnten. Die gesamte Kommunikation wird in einem sicheren Datenraum dokumentiert, der vergleichbar mit einer elektronischen Akte von der Übergabe bis zur Rückgabe der Wohnung alle mitrelevanten Informationen und Verträge enthält. Das trägt natürlich enorm zur Rechtssicherheit aller Beteiligten bei."
Und wie steht es um die Benutzerfreundlichkeit des neuen Tools?
Richtet sich das Angebot eher an "netzaffine" Personen? Andreas Böcskör winkt ab: "Das System ist so konzipiert, dass es in seiner Anwendbarkeit ungefähr ähnlich leicht zu handhaben ist wie ein normales Onlinebanking-Tool. Es ist keinerlei Spezialwissen erforderlich. Mit einem Smartphone oder einem Laptop ist man dabei." Zudem: Denjenigen, die von dem neuen Angebot keinen Gebrauch machen wollen, steht es natürlich frei, alles so abzuwickeln wie bisher oder auch aus dem digitalen Prozess auszusteigen.
Ausgeklügelte Technologie mit Smart Contracts und Blockchains
Was für die Nutzenden möglichst einfach gehalten wurde, birgt in seinem Inneren tatsächlich eine ausgeklügelte Technologie. Insgesamt drei Jahre hat das Wiener Unternehmen Advoodle daran gearbeitet, das neue digitale Mietsystem so weit zu entwickeln, dass es nun markttauglich ist.
Zentrale Elemente bilden dabei die sogenannten Smart Contracts, die in Kombination mit der Blockchain-Technologie angewendet werden. Bei Ersteren handelt es sich um "intelligente" Verträge auf Softwarebasis, die mit unterschiedlichen individuellen Vertragsbedingungen hinterlegt werden und so passgenau auf die Mietgegebenheiten zugeschnitten werden können. Jede Art von Kommunikation, die im Zusammenhang mit der Vermietung stattfindet, und die Archivierung sämtlicher Unterlagen erfolgen auf einer Blockchain.
Das ist quasi eine dezentrale große Datenbank, die mit einem Ursprungsblock startet, an den immer neue Datenblöcke chronologisch angehängt werden. Jede Anfrage, die an den Makler gestellt wird, und sämtliche Unterlagen werden hier registriert und parallel an mehreren Orten gespeichert. "Eine Digitalisierung hat einfach in jeder Hinsicht Sinn", erklärt Thomas Lainer abschließend.
"Wichtig war uns vor allem, dass so ein Prozess nicht zulasten der Beteiligten geht, sondern - im Gegenteil - Verbesserungen mit sich bringt. Ich glaube, das ist uns gut gelungen." Läuft alles nach Plan, soll der Testbetrieb der neuen Software in drei Monaten abgeschlossen sein. Mit 1. Juli 2023 soll das System für den Bereich der Miete als fixes Angebot implementiert werden.