Leserbrief

Asylpolitik in Österreich

Kommentar zu "Asylpolitik in Absurdistan und anderswo." (SN vom 26.11.)


Ich gebe Herrn Dr. Koller, wie fast immer, völlig Recht mit seiner Kritik an der unintelligenten Regierungspolitik, speziell hinsichtlich der Abschiebungen.
Ich muss aber betonen, dass in einer Demokratie jedes Volk die Regierung besitzt, die es verdient. Die österreichischen Wähler haben zu einer Zeit, da sich der Klimawandel immer sicherer in Richtung zunehmender Katastrophen (oder sollte man eher schreiben: "zu einer Katastrophe?") entwickelt, die Grünen aus dem Parlament geworfen und eine Partei zu Regierungsehren gebracht, bei der viele Politiker/-innen den Klimawandel überhaupt leugnen. Gut, die Grünen haben unkluge politische Spielchen miteinander getrieben, aber sie hatten eine durchaus akzeptable Spitzenkandidatin und sind eigentlich noch niemals im völligen Gegensatz zu dieser anderen vorher zitierten Partei wegen Korruption verurteilt worden.
Die österreichischen Wähler haben einen Politiker zum Kanzler gewählt, der kein wirkliches Konzept, außer der Schließung diverser Flüchtlingsrouten, auch auf Kosten von Menschlichkeit und Lebensrettung, und den Willen, mit einer Rechtsaußenpartei zu koalieren, angeboten hat. Die Kanzlerpartei hat in den letzten Jahren als Juniorpartner der SP nichts anderes getan, als den Sozialdemokraten bei jedem Reformversuch wie ein Klotz am Bein zu hängen und der Bevölkerung die Große Koalition zu vermiesen.
Ich schätze und ehre die Anstrengungen der westlichen Landeshauptleute, die ärgsten Schnitzer dieser Regierung abzufedern. Aber warum haben sie diese türkise Richtung der VP überhaupt groß werden lassen? Ging auch den eigentlichen Christlich-Sozialen die Gier nach dem Kanzleramt über alles und nehmen sie dafür einen Herrn Kickl auf dem sensiblen Posten des Innenministers in Kauf?
Die österreichische Bevölkerung hat die Resultate der Mitregierung unserer Rechtsaußenpartei (beschönigend als "Rechtspopulisten" bezeichnet) von 2000 bis 2007 miterlebt und diese Variante zu Recht abgewählt. 2017 ist das alles vergessen, obwohl die Herren Strache, Kickl, Vilimsky, Gudenus und Co. ja schon seit Jahren ihr wahres Gesicht zeigen. Ja bitte, was hat man denn von einer solchen Konstellation anderes erwartet als inhumane Fremdenfeindlichkeit, deren Abschiebungsgier weit über die Grenzen der Interessen unserer Wirtschaft hinausgeht, gefährliche und rücksichtslose Umfärbungen, brutale Versuche, unsere Demokratie zu bedrohen (Geheimdienstaffäre, ORF…), Sozialabbau und Bedrohung unserer Gesundheit (Rauchen, Geschwindigkeitslimiterhöhung…)?
Ja, Wählen ist eine verantwortungsvolle Tätigkeit, dabei wäre es günstig, Entscheidungen unter Zuhilfenahme eines logischen Denkprozesses zu fällen. Wir haben ja (hoffentlich) noch die Möglichkeit der Revision mit dem Stimmzettel. In Polen mussten bereits Hunderttausende auf die Straße gehen, um die Fehlentscheidung oder das Fernbleiben von der Urne zu bereuen.
Auch für die Briten, deren EU-freundliche, jüngere Generation nur zu 20 Prozent über den Brexit abstimmte, ist es jetzt zu spät.

Dr. Werner Lack, 1140 Wien

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