Leserbrief

Die Adlerattacke ist kein Einzelfall.

Es ist ungefähr zehn Jahre her, dass ich mit meiner Familie ein Mittelalterfest auf der Festung Hohenwerfen besucht habe. Als Familie mit drei Mädchen ist es nicht immer möglich, Zeitpläne genau einzuhalten. Und so waren wir etwas verspätet vom Kaplanstöckl, ganz oben auf der Festung, aufgebrochen, um uns die Flugvorführung des Landesfalkenhof anzusehen. Diese hatte in der Zweiten Vorburg vor zahlreichem Publikum bereits begonnen.
Mit meiner kleinen Tochter Paula an der Hand passierte ich gerade den Durchgang durch den Strohturm, als wir Zeugen einer Adlerattacke wurden. Ungefähr zehn Meter vor uns ging ein Mann mit einem kleinen Buben auf den Schultern. Unbemerkt von den Beiden saß, nur wenige Meter schräg über ihnen, ein Adler auf der nördlichen Festungsmauer. Auf einmal stürzte sich der Greifvogel von hinten auf das Kind herab und krallte sich am Kopf des Buben fest. Der Vater des Buben ging unvermittelt in die Knie. Es gelang ihn seinen Sohn von den Schulten zu nehmen, zu schützen und zu uns in den Strohturm zu flüchten. Der Adler erhob sich und flog über die Köpfe der Zuschauer davon. Erstaunlicher Weise nahmen die ringsum Anwesenden kaum Notiz von dem Vorfall.
Sofort war zu erkennen, dass der Bub mehrere stark blutende Wunden am Kopf hatte. Der Vater des Kindes und die mittlerweile herbeigeeilte Mutter waren schockiert. Während sich meine Frau um die Familie kümmerte eilte ich los, um Hilfe zu holen. Vor dem Lindenhäuschen traf ich eine junge Mitarbeiterin des Landesfalkenhofes an. Diese ließ die Familie und uns in das Haus. Auf mein Verlangen hin begann sie nach einem Verbandskasten zu suchen. Erst nach einiger Zeit brachte sie einen Schuhkarton mit losem Verbandsmaterial. Meine Frau begann mit der Erstversorgung der Verletzungen des Buben.
Nach einiger Zeit kam der Leiter der Vorführung hinzu. Er begann sofort, ohne zu wissen was genau geschehen war, den Eltern Vorwürfe zu machen. "Das Kind sei sicher herumgerannt." und "Er sagt doch immer, dass man während der Vorführung nicht herumlaufen soll." Erst als ich ihm entgegentrat und im nachdrücklich aufforderte "jetzt Ruhe zu geben" beruhigte er sich. Ich forderte ihn auf die Rettung zu rufen, da ich ihn sonst wegen unterlassener Hilfeleistung anzeigen würde. Daraufhin verließ er noch immer schimpfend das Haus. Nach einer Weile kam ein weiterer Mitarbeiter des Landesfalkenhofes und teilte der Familie mit, dass die Rettung gerufen wurde und sie runter zum Parkplatz gehen sollten. Ich sagte ihm, dass es angebracht ist, dass ein Mitarbeiter die Familie zur Rettung begleitet. Diese Begleitung wurde dann auch organisiert.
Abschließend habe ich dem Vater des Buben noch meine Telefonnummer aufgeschrieben und ihm gesagt, dass ich ihm, wenn notwendig, als Zeuge zur Verfügung stehen würde. Ich habe aber nie mehr wieder was von ihm gehört.
Auf jedem Fall habe ich aus dem Vorfall zwei Schlüsse gezogen.
Beim Landesfalkenhof war man auf einen eventuellen Unfall im Zuge einer Vorführung nicht vorbereitet. Dies hat mich insofern überrascht, da es sich um eine öffentliche Veranstaltung mit beutegreifenden Wildtieren handelt. Ein Notfallplan, die Ausbildung der Mitarbeiter und die Notfallausrüstung müssten eigentlich, wie bei jeden anderen öffentlichen Veranstaltung, seitens der zuständigen Behörde vorgeschrieben sein. (Salzburger Veranstaltungsgesetz)
Zweitens hat dem "Oberfalkner" nicht nur jedes Einfühlungsvermögen für die betroffene Familie gefehlt, sondern er war sich der Gefahr für kleine Kinder durchaus bewusst. Ansonsten hätte er nicht so offensiv und vorwurfsvoll reagiert. Offensichtlich waren ihm seine Vögel und die Show wichtiger als die Sicherheit der kleinen Zuschauer.

Peter Pokorny, Freilassing

Aufgerufen am 28.05.2023 um 03:23 auf https://www.sn.at/leserforum/leserbrief/die-adlerattacke-ist-kein-einzelfall-69854263

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