Es ist schon fast alles gesagt worden, aber noch nicht von jedem. Trotzdem will ich mich nun doch auch zu Wort melden. Dass diese Jungfrauenweihe so viel Beachtung gefunden hat, zeigt mir, dass die Kirche vielen Menschen noch nicht egal ist. Man erwartet sich von ihr noch etwas. Die kirchlichen Amtsträger sollten jubeln über das hohe Interesse und statt der vielen rückwärtsgewandten Erklärungen aus vergangenen Traditionen aufmerksam hören, welche Fragen durch diese Stellungnahmen an die Kirche gestellt werden, und sich bemühen, endlich den Menschen in ihrer konkreten Lebensrealität heute einen Glauben zu vermitteln, der für das Leben hilfreich und befreiend ist. (Galaterbrief, 5 "Zur Freiheit hat Gott euch befreiet" mit dem Hinweis auf die Liebe und den Glauben!)
Der Glaubenssinn der Gläubigen - der sensus fidelium oder sensus fidei - muss beachtet und ernst genommen werden! (Vgl. Internationale theologische Kommission "sensus fidei" oder "sensus fidelium", vorgelegt von Kardinal Gerhard L. Müller, Präfekt der Kongregation für die Glaubensleher.) Die Kirche ist verpflichtet, auf die Gläubigen zu hören!
Die Entscheidung von Frau Mag. Lang wurde in den Leserbriefen meiner Wahrnehmung nach nicht kritisiert, sondern das, was durch die große Bedeutung, die die Kirche diesem Event gegeben hat, vermittelt wurde. Alle Christen und Christinnen sind berufen, ihr Leben nach Christus auszurichten. Welchen Weg jeder und jede Einzelne wählt, ist eine ganz intime Sache. Warum sollte ich als Ehefrau keine enge Beziehung zu meinem Gott haben? Eheleute betrügen Gott nicht mit ihrer Liebe zum Partner/der Partnerin und ebenso ihre Partner nicht mit ihrer intimen Beziehung zu ihrem Gott. Das bewertende Ausspielen der zölibatären Lebensweise gegen zwischenmenschliche Beziehungen ist unzulässig. Die Liebe zu einem Menschen vermindert die Liebe zu Gott doch nicht!
Der schon lange sehr sonderbare Umgang mit Sexualität in der Kirche ist aber leider nach wie vor weder hilfreich noch anziehend. Sexualität spielt im Leben jedes Menschen eine große Rolle, auch wenn er/sie zölibatär lebt. Die Sexualität wurde uns als Talent von einem liebenden Gott für unser ganzes Leben geschenkt, mit dem es gut umzugehen gilt. Aber warum werden nach wie vor Menschen aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung, die sie sich nicht ausgesucht haben, sondern die ihnen von Gott mitgegeben wurde, noch immer diskriminiert?
Frau Kainberger hat nicht versucht, einen Gegensatz zu konstruieren, sondern aufzuzeigen, dass es eben auch andere Themen und Sichtweisen und Prioritäten in dieser Kirche gibt, offiziell und legitim. Papst Franziskus selbst hat Frauen an die Spitzen vatikanischer Gremien berufen. Davon erfährt man zu wenig. Das sollte lauter in der Kirche verkündet werden.
Bewertungen des individuellen Glaubens Einzelner sind unzulässig, Auf- und Abwertungen sind nicht hilfreich und nicht im Sinne Gottes. Dabei ist immer auf die Symbolwirkung zu achten. Sie kann sowohl positiv als eben auch negativ sein. Auch das ist Verkündigung! Offene Möglichkeiten der Auseinandersetzung sind in unserer Kirche bitter nötig. Ich bin gerne dazu bereit.