Leserbrief

Eine sehr gute PR-Aktion

Zu "In die Residenz des Erzbischofs ziehen zigtausend Bienen ein" in den SN vom 29. 4. 19:
So sehr ich es begrüße, dass sich auch die SN diesem sehr drängenden Problem des Insektensterbens annehmen, so sehr geht dieser Artikel am eigentlichen Problem vorbei.
Ja! Die Bienen - und in diesem Fall die Honigbienen - kennt offensichtlich jede(r) und die kommerziellen Imker springen nun natürlich gerne auf diesen Zug auf.
Tatsache ist aber, dass es wohl nicht primär die Honigbiene ist, die akut vom Aussterben bedroht ist! Die Honigbiene ist ein überwinterndes Volk mit zigtausenden Individuen. Sie sammeln das ganze Jahr über Pollen und Nektar um dann eben über den Winter zu kommen.
Der Mensch hat sie quasi domestiziert, nimmt ihnen den größten Teil des über das Jahr gesammelten Honig und "vertröstet" sie über den Winter, wenn erforderlich, mit Zuckerlösungen. So gesehen haben die Honigbienen eine gewaltige Lobby, denn mit deren Arbeit kann man gutes Geld verdienen.
Keine Lobby aber haben die restlichen rund 300 Wildbienen-Arten (in Salzburg) deren Volkstruktur so aufgebaut ist, dass im Herbst lediglich noch ein paar (befruchtete) Weibchen übrig bleiben, die einen geeigneten Platz zur Überwinterung brauchen. Deren Problem beginnt dann im Frühjahr, wenn es keine Blühpflanzen mehr im ausreichenden Maße gibt. Und da bekommen dann aber auch die Honigbienen ihr Problem.
Es ist zwar recht schön und gut, dass nun im Bischofsgarten zusätzliche Nahrungskonkurrenz angesiedelt wird. Zur Lösung des tatsächlichen Problems trägt diese Aktion aber nicht im geringsten bei. Es ist eine sehr gut PR-Aktion.
Wenn man den Bienen - und da vor allem den Wildbienen - eine Überlebenschance geben will, darf man nicht mit der Ansiedelung zusätzlicher Honigbienenstöcke und weiterer Nahrungskonkurrenz beginnen (ich nehme an, dass die Blüten der Bäume, Sträucher und Blumen auch bisher ausreichend bestäubt wurden).
Das wirkliche Problem liegt in der industrialisierten Landwirtschaft durch übermäßiges Ausbringen von Gülle und Mahden, die schon vor den Blüten beginnen. Wenn es keine Blühpflanzen über einen längeren Zeitraum mehr gibt, ist die Grundlage aller Insekten zerstört. Wie soll denn z.B. eine Hummel noch Nachwuchs erzeugen, wenn nicht einmal mehr für sie ausreichend Nahrung vorhanden ist? Die grünen Wüsten helfen aber letztendlich ja auch nicht einmal mehr den Landwirten, die Saatgut ausbringen müssen, weil auch die Gräser nicht mehr absamen!
Und wenn jetzt das Nahrungsangebot ohnehin schon gering ist und man dann zusätzlich noch Nahrungskonkurrenz schafft, erreicht man eigentlich das Gegenteil.

Ja! Wir brauchen auch die Honigbienen. Aber sie machen nur etwa 60 Prozent der Bestäubungsarbeit in der Pflanzenwelt. Den Rest müssen andere erledigen.


Guntram Hufler, Hobby-Entomologe und Naturbeobachter, A-5760 Saalfelden am Steinernen Meer

Aufgerufen am 30.05.2023 um 01:57 auf https://www.sn.at/leserforum/leserbrief/eine-sehr-gute-pr-aktion-69849403

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