Leserbrief

Herbert allein zu Hause

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat also nicht Herbert Kickl, sondern Karl Nehammer mit der Regierungsbildung beauftragt, damit die für Österreich wohl richtige Entscheidung getroffen und sehr schlüssig begründet. Mit Herbert Kickl will nämlich nicht nur niemand koalieren, er besitzt auch nicht das Format eines besonnenen Staatsmanns.
1. Kickl ist der erste und bisher einzige Minister, der vom Präsidenten entlassen wurde, hat sich durch die illegale BVT-Razzia selbst disqualifiziert und ein immenses Sicherheitsproblem für Österreich verursacht. Persönliche Rache am BVT, das im rechtsradikalen Milieu ermittelte, war ihm offenbar wichtiger als die Sicherheit unseres Landes, für die er als Innenminister die Verantwortung trug.
2. Ein Kanzler Kickl wäre daher ein enormes sicherheitspolitisches Risiko für Österreich. Verstärkt würde das vorhersehbare außen- und sicherheitspolitische Desaster durch die Sympathie Kickls und seiner FPÖ gegenüber dem Kriegstreiber Putin und anderen Autokraten, durch die Ablehnung von Sky Shield, durch das gestörte Verhältnis zur Europäischen Union sowie durch die mangelnde Bereitschaft, sich von Rechtsradikalen im In- und Ausland klar abzugrenzen.
3. Durch seine "Fahndungslisten" zeigt Herbert Kickl auch ein bedenkliches Demokratieverständnis und lässt dabei soziale Kompetenz ebenso vermissen wie durch sein Agieren nach der Entlassung als Innenminister. Diesbezüglich sei an die permanenten Beschimpfungen und Beleidigungen des Bundespräsidenten erinnert. Psychologisch interessant war Kickls Verhalten nach dem ersten Sondierungsgespräch mit Karl Nehammer. Er unterstellte dem Kanzler, dass er sich von den Wählern beleidigt fühlte, und riet ihm, "Hilfe von den vernünftigen Kräften in der ÖVP" anzunehmen. Es ist nicht besonders intelligent, eine andere Partei für eine Koalition mit der eigenen gewinnen zu wollen, deren Vorsitzenden aber massiv zu beleidigen. Die Argumente Nehammers waren schon aus dem Wahlkampf bekannt, änderten sich im Sondierungsgespräch nicht und wurden im Wesentlichen auch vom Bundespräsidenten beim Regierungsbildungsauftrag an Karl Nehammer genannt. Offenbar projiziert Herbert Kickl sein eigenes Denken und Verhalten auf andere.
4. Kickl fehlt es auch an strategischer Kompetenz. Spätestens nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz hätte er sich wohl um bessere Kontakte zur ÖVP bemühen können (so wie dies einige seiner Mitstreiter mit Vertretern der SPÖ in den Untersuchungsausschüssen getan haben). Doch ihm war die persönliche Revanche an der ÖVP nach dem Verlust seines Ministeramts wohl wichtiger als politischer Weitblick. Strategisch unklug war schließlich auch das provokante Geschenk an den Bundespräsidenten - eine gläserne Eule als Symbol der Weisheit - bei deren bislang letztem Gespräch.
Alexander Van der Bellen hat aber eine weise Entscheidung - allerdings wohl nicht im Sinne des Schenkenden - getroffen. Die FPÖ spricht daher nun von abgekartetem Spiel und inszeniert sich wieder einmal als Opfer des Systems (dem sie selbst inklusive ihrer Vorgängerorganisation allerdings auch seit einem Dreivierteljahrhundert angehört). Doch das Übergehen ihres Parteivorsitzenden beim Regierungsbildungsauftrag ist allein Herbert Kickls persönliche Schuld. Er erntet jetzt die Früchte seines bisherigen Agierens.

Dr. Heinrich Zwittkovits, 2700 Wiener Neustadt

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