Zum Kommentar "Jenseits von rechts und links" (SN vom 25. 2. 19):
Der Zersplitterung der Parteien und der Wählerwanderung stimme ich zu. Früher gab es eine Polarisierung aus sozialen Gründen: "Es handelte sich um den Konflikt zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, zwischen Wirtschaft und Arbeiterschaft, zwischen der besitzenden Klasse und den Habenichtsen." Das kann ich unterschreiben. "Der moderne Unternehmer von heute ist nicht mehr der ausbeutende Wirtschaftsboss von einst." Dem kann ich nicht mehr folgen. Das mag in den zwei Dezennien nach dem Krieg gegolten haben.
Was heute passiert, ist der neue liberale Kapitalismus, den uns die "Harvard-Boys" in den sechziger Jahren schmackhaft gemacht haben. Der Markt wird alles regeln. Was in diesem System der Leitspruch ist: Gewinn maximieren. Ich habe selbst schmerzlich erlebt, wie die Ölindustrie in den neunziger Jahren das "Downsizing" durchgeführt hat. In zehn Jahren gingen weltweit eine Million Arbeitsplätze verloren (Statistik aus USA). Verwaltung verkleinern durch Zusammenlegen von Firmen, die Leistung der Belegschaft halten bei gleichzeitiger Verkleinerung der Mannschaft. Das heißt für den Einzelnen mehr und härter arbeiten. Ist das nicht Ausbeuten?
Zuerst wurde die Wochenarbeitszeit verlängert, jetzt erlaubt man wieder Mehrarbeiten. Ist das nicht auch Ausbeuten?
Wir holen uns Arbeitskräfte aus Ländern mit niedrigerem Lohnniveau und erwarten, dass einheimische Arbeitskräfte auch mit weniger Lohn zufrieden sind, weil sie in Konkurrenz zu den Wanderarbeitern (z. B. Slowakei, Rumänien) stehen. Ist das nicht auch Ausbeuten?
Die Produktion wurde in Billiglohnländer verlagert. Ist das nicht auch Ausbeuten an einem anderen Ort?
Der schwarze Kontinent hat kein Know-How, er liefert nur Rohstoffe. Dort entwickelt sich keine lokale Industrie. Die. USA, EU und China liefern sich weltweit ein wirtschaftliches Wettrennen. Ist das nicht auch Ausbeuten?
Bei uns hat sich die Ökonomie geändert. Es sind nicht Firmenbesitzer und Arbeiter. Der Druck kommt von den Aktienmärkten über die Konzerne, über deren Manager auf die Belegschaft. Wenn man sich die Einkommensverhältnisse ansieht, dann geht die Einkommensschere immer weiter auseinander. Ein Zeichen dafür sind der Preis für das Wohnen und die Altersarmut. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich meine Familie vor ca. 25 Jahren aufgebaut habe, Alleinverdiener war und ein Haus gebaut habe. Wir waren fast an dem Punkt, entweder Sommer- oder Winterurlaub zu streichen. Es kam deshalb nicht dazu, weil meine Frau wieder mit verdient hat. Ich habe nun zwei Töchter, die Arbeit suchen und weiß, was ihnen an Gehalt angeboten wird. Es grenzt an Ausbeutung.
Jetzt gibt es eine Polarisierung aus der Einstellung heraus: offen oder abschotten. Es gibt meines Erachtens noch keine wirtschaftlichen Unterschiede. Vielleicht werden die "Isolationisten" mit der Zeit wirtschaftlich zurückfallen.