Leserbrief

Meilenstein

Der Besuch des Papstes in Abu Dhabi war ein Meilenstein im Dialog zwischen Christen und Muslimen. Franziskus und der Großimam der Kairoer Al Azhar-Moschee Ahmad al-Tayyeb, die sich bereits zum fünften Mal trafen, nannten sich gegenseitig "Bruder und guter Freund". Ihre gemeinsame religiöse Erklärung hat in dieser arabischen Region eine enorme politische Bedeutung. Die wichtigste sunnitische Lehrautorität und der Papst plädierten mit außergewöhnlicher Klarheit für Religionsfreiheit, Frauenrechte und Nachhaltigkeit. Sie verurteilten jegliche Gewalt und Extremismus im Namen Gottes und ebenso den amoralischen Individualismus. Franziskus erklärte: Wahre Religionsfreiheit beschränkt sich "nicht nur auf die Ausübung der Religion, sondern sieht im andern wirklich einen Bruder und eine Schwester… derselben Menschheit, denen Gott Freiheit gewährt."
Doch daneben sagte der Papst auch etwas, was sich unsere jetzige österreichische Bundesregierung dick hinter die Ohren schreiben sollte. "Eine Gerechtigkeit, die nur für Familienmitglieder, Landsleute und Gläubige desselben Glaubens gilt, ist eine hinkende Gerechtigkeit; sie ist (in Wahrheit) verschleierte Ungerechtigkeit."
In Abu Dhabi gelobten die höchsten Autoritäten der Katholischen Kirche und des sunnitischen Islam sich für eine Pluralität im Glauben und für ein friedliches Miteinander der Kinder des einen Schöpfers einzusetzen. Das ist ein Meilenstein, viel mehr als man erwarten konnte.


Pfr. Helmut Rohner, Dornbirn

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