Leserbrief

Quo vadis, Ekklesia?

Und jetzt das. Am 15. August, zum Fest Mariä Himmelfahrt, wird eine sogenannte Jungfrauenweihe im Dom von Salzburg durch den Weihbischof vollzogen. Wenn ein junges Mädchen sich dem Geschlechtsakt früher widersetzte, lebte oder lebt sie in einer sogenannten Josefsehe, was bis zum heutigen Tag auch im Kirchenrecht als Scheidungsgrund verankert ist, also auch hier der Zugriff auf die Frau. Solange gelebte Liebe im intimen Akt der Begegnung von der Kirche keine Weihe erhält und homoerotischen Menschen sogar jegliche Segnung von der offiziellen Kirche verweigert wird, ist die Weihung einer sich öffentlich bekennenden Jungfrau, welche ihre intime Hingabe mit Jesus bezeugt, eine Entwertung "irdischer" Liebe und Hingabe.

All dies zeugt erneut davon, dass die Kirche immer noch nicht in der Lage ist, sich dem Kapitel Macht, Missbrauch und Sexualität zu stellen. Denn diese geweihte Jungfrau untersteht keiner Äbtissin, sondern einzig und allein den männlichen Machtstrukturen. "Mein Bauch gehört mir" war einst das Bekenntnis radikaler Abtreibungsbefürworter/-innen, was man in dieser Dimension als christlich gläubige Frau nicht bestätigen kann, auch wenn die Kirche in dieser Frage statt des Weges der Barmherzigkeit stets den Weg der Verdammung der Frau ging.

"Mein Leib gehört dem kirchlichen Patriarchat" kann nicht die Antwort sein und verbirgt in sich eine umgedrehte Obszönität. Das macht das Bekenntnis der geweihten Jungfrau zu einem kirchlichen Politikum, zu einem Bekenntnis gegen die Gleichberechtigung von Frauen, Homosexuellen und anderen Randgruppen. Bei der diesbezüglichen Diskussion am Familientisch, mit meiner Enkeltochter, warf jene ein: "Wird der Staat die Kirche klagen, wenn nur noch Jungfrauen die Gesellschaft tragen sollen?"

Dr. Lisa Bock, Klinische Psychologin, Psychotherapeutin (analytische Psychologie), 5020 Salzburg

Aufgerufen am 18.10.2025 um 09:27 auf https://www.sn.at/leserforum/leserbrief/quo-vadis-ekklesia-125734192

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