Leserbrief

Sieht niemand das Missbrauchspotential?

Ich halte jemanden, der allen Ernstes präventiv einsperren möchte, für akut demokratiefeindlich. Wegsperren auf bloßen Verdacht hin. Das ist doch brandgefährliches Wunschdenken. Kann eine solche Idee tatsächlich von einem Menschen kommen, von dem man ausgeht, dass er Verantwortung übernimmt? Darf ich mir jetzt auch eine Anlassgesetzgebung wünschen und dass der Präventionsparagraf auch auf dieser Art bedrohlicher Menschen angewendet wird und man sie in Schutzhaft nimmt? Und für wie lange? Oder mache ich mich damit verdächtig, so dass ich Angst haben muss, selbst auf die Liste der Suspekten zu gelangen? Wie viel Kollateralschaden ist denn gerade noch vertretbar? Ich kann einfach nicht glauben, dass jemand in einer so sensiblen Position ein derart vereinfachtes Weltbild vertritt. Präventionsaufwand zu betreiben in Aufklärung, Betreuung, Opferschutz usw. ist natürlich viel mühsamer und zeit- und kostenintensiver und weniger publikumswirksam, als rasch den Hobel zur Hand zu nehmen. Man hat manchmal den Eindruck, dass Autokratie begonnen hat, einen magnetischen Reiz auf die Vernunft auszuüben. Wollen wir wirklich eine Art Minority Report? Sieht niemand das Missbrauchspotential?


Nils Leitner, 1030 Wien

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