Besonders gut an unserem Herrn Bundespräsidenten gefällt mir seine Art, Kritik zu üben. Er spricht ernste Dinge auf eine Weise an, dass die Kritisierten nicht beschämt werden; und er sagt im nächsten Satz etwas Zuversichtliches. Dass sich das Staatsoberhaupt aber anstelle von Herrn Kurz bei den Österreicherinnen und Österreichern entschuldigt, zeigt, wie sehr seine Geduld in den letzten Tagen auf die Probe gestellt wurde.
Doch seien wir etwas vorsichtig. Der Aufschrei der österreichischen Medien und Stammtisch-Besucher ist gelinde ausgedrückt wenig selbstkritisch und weniger nobel formuliert heuchlerisch. Sehr gerne kritisieren wir mit teils beleidigenden Worten anderer Menschen Fehlverhalten und billigen dabei deren öffentliche Bloßstellung. Das ist ein schlechter Ausgangspunkt für die erwünschte Verhaltensänderung bei den Beschuldigten. Eher wird er oder sie sich zu verteidigen suchen und sich in seinem Standpunkt einzementieren. Dass wir selbst oft genug kein musterhaftes Verhalten haben, dass wir selbst andere entwerten oder niedermachen, dass wir selbst Vorteile genießen, die uns eigentlich nicht zustehen, u.s.w., das alles übersehen wir allzu gern. Unser Herr Bundespräsident hat sich also bei den Österreichern, so wie er sie sich wünscht entschuldigt und weniger bei uns, wie wir eben (noch) sind.