Meine Eltern und Großeltern hatten nicht viel materiellen Besitz. Ihr größter Besitz war: "Wir haben uns." Als Kriegsteilnehmer, Kriegsgeschädigte, hatte das Wort "Zusammenhalt" viel mehr Bedeutung, man hatte wohl mehr Verständnis untereinander als heute. Allesamt nicht reich und die finanzielle Zuwendung an Organisationen hielt sich dadurch in Grenzen. Trotzdem wurde immer für das SOS-Kinderdorf gespendet, mit der Begründung: "Da weiß man, wo es hinkommt." Ein Kinderdorf für Kinder und oftmals Waisen, die kein Zuhause hatten, das war schon eine sehr gute Sache.
Umso erschütternder sind nun die Skandale und skrupellosen Machenschaften rund um die 1949 gegründeten Dörfer und vor allem auch die Tatsache, dass so lange geschwiegen wurde. Dafür gibt es keine, absolut keine Entschuldigung und jeder Einzelfall ist genau einer zu viel.
Nichtsdestotrotz gibt es nach wie vor diese Kinderdörfer mit dem hehren Leitbild, jedem Kind ein liebevolles Zuhause zu geben und mitzuhelfen, dass sie positiv in ihre Zukunft blicken können. Ja, es ist ein fatales Multi-Systemversagen, und eine generelle Neuordnung wird notwendig sein, um in Zukunft solche Verbrechen zu vermeiden. Das gebietet schon der Respekt gegenüber allen Opfern.
Aber die Vergangenheit hat auch gezeigt, dass ein Skandal oft ein Neubeginn sein kann. Dazu braucht es aber nach wie vor Spendengelder. Gerade deshalb sollten wir alle nicht die Tür vorschnell zuschlagen. Spenden heißt auch, die Notwendigkeit rund um uns herum wahrzunehmen. Kein Kind, das sich gerade jetzt in einem Kinderdorf befindet, kann etwas für dieses Versagen von Erwachsenen. Wünschenswert wäre, wenn man - möglichst bald - wieder behaupten kann: "Da weiß ich, wo mein Geld hinkommt."