Ob man es sich gewünscht hat oder nicht, es ist Faktum: Donald Trump regiert bald wieder die USA und damit beeinflusst er maßgeblich die Weltpolitik. Faktum ist auch, dass Europa jetzt allein dasteht - allein mit seinen Werten und mit seinem Lebens- und Gesellschaftsmodell. Und mit dem Platzen der Regierung in Deutschland gibt es nun auch noch in Europa eine Schubumkehr statt neuen Schubs. Ist das für uns ein Grund, die Flügel hängen zu lassen und die mit Trump verbundene zunehmende Unsicherheit in einer ohnehin schon sehr unsicheren Welt einfach beklagend zur Kenntnis zu nehmen? Sicher ist: Die Dinge werden in Bewegung kommen und unberechenbarer werden. Die USA werden mehr denn je auf ihre Interessen schauen und eine für sie vorteilhafte Politik auf der Basis militärischer Stärke und globaler Dominanz fortsetzen. Sie werden China als Bedrohung noch intensiver in den Fokus nehmen und versuchen, in dieser Auseinandersetzung mit ihrem Hauptrivalen auch die Europäer in die Pflicht zu nehmen. Angesichts der Tatsache, dass die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Europa und China etwa doppelt so stark sind wie diejenigen der USA und China, ist dies für Europa eine gefährliche Bedrohung. Dazu kommt, dass Europa im Gegensatz zu den USA weder auf dem Energie- noch auf dem Rohstoffsektor autark ist und auch in den meisten technologischen Bereichen im Rückstand liegt. Die Wahl von Donald Trump ist daher ein Weckruf für Europa. Wann, wenn nicht jetzt muss sich Europa in einer multipolaren Welt auf Eigenständigkeit konzentrieren und konstruktive Partnerschaften mit den großen Akteuren der Welt anstreben. Einseitige Abhängigkeiten führen langfristig zum Niedergang. Europa muss den großen Sprung in seine eigene Zukunft wagen. Es darf nicht ängstlich abwarten, was Trump plant, sondern muss proaktiv seine Autonomie auf allen Gebieten stärken. Dies wird die entscheidendste Aufgabe der neuen EU-Kommission und des neu gewählten Europäischen Parlaments sein.