Leserbrief

Versprechen fordern Taten

Seit Jahren werden Ursachen und Lösungen des drohenden Hausärztemangels diskutiert. Eine echte Lösung scheint aber niemand wirklich anzustreben. Wenn der wiedergewählte Ärztekammer-Präsident für Oberösterreich, Dr. Peter Niedermoser, nun davon spricht, das Berufsbild gehöre reformiert, weiß ich nicht, ob zu lachen oder zu weinen indiziert wäre, um im Fachjargon zu bleiben. Wie oft hat man diese inhaltsleeren Phrasen schon bemüht, um Patientinnen, Patienten und Jungmedizinerinnen und Jungmediziner gleichermaßen zu vertrösten? Fakt ist: ein Drittel der Absolventinnen und Absolventen heimischer Medizinfakultäten wird nie als Ärztin oder Arzt in Österreich tätig. Warum das so ist, wurde bereits mehrfach thematisiert und ist, aus Sicht eines Jungmediziners, völlig offensichtlich und verständlich. In Zeiten, in denen andere Branchen 4-Tage-Wochen und Homeoffice zur Normalität machen, werden Jungmediziner, die völlig zu Recht eine neue Qualität von Ausbildung und Arbeitsbedingungen einfordern, Jahr für Jahr vertröstet. Stattdessen sind mehr als 48 Wochenstunden bei vier und mehr 25-Stunden-Diensten pro Monat, die etwa in Deutschland längst der Vergangenheit angehören und durch 12-Stunden-Schichten ersetzt wurden, für Mediziner die Regel. Eine andere Baustelle ist die Ausbildung zum Allgemeinmediziner:

In der Theorie klingen dreimonatige Rotationen durch die wichtigsten klinischen Fachgebiete durchaus sinnvoll. In der Praxis werden Turnusärzte allerdings auf Stationen geparkt, wo es Aufnahmen zu erledigen und Kurven fortzuschreiben gilt. Warum auch sollte ein Oberarzt, z.B. einer orthopädischen Abteilung, daran interessiert sein, einen künftigen Allgemeinmediziner mit den Basics seines Faches betraut zu machen? Der will, ohne es ihm übel nehmen zu können, in erster Linie operieren und seine Ordinationspatientinnen und -patienten versorgen. So durchläuft man zwar viele Abteilungen, lernt dabei aber nur wenig.

Ich fordere die Ärztekammer, die empfindlich hohe Zwangsgebühren einhebt, und die Politik dazu auf, endlich ihrer Aufgabe nachzukommen, und das System ernsthaft zu modernisieren! Warum machen ausgerechnet die sog. Gesundheitsberufe krank? Weshalb sollte man sich auf Kosten der Zeit, die man besser u.a. der Familie widmen könnte, verbrennen lassen?

Martin Angerer, 4600 Wels

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