Zum Artikel "Der Krieg hallt nach" (SN vom 24.11.2018).
Es gibt sie also wieder - die "entartete Kunst". Diesen Begriff prägten die Nationalsozialisten für jene Werke künstlerischen Schaffens, die nicht den verordneten Schönheitsidealen entsprachen oder deren Schöpfer aus politischen oder rassischen Gründen geächtet wurden. Heute aber sind wir liberal und tolerant.
Nachdem die Staatsmacht nicht mehr bestimmt, welche Kunstwerke erlaubt sind und welche nicht, haben private Sittenwächter diese Aufgabe übernommen. Erst ging es um die Maler und Bildhauer. Werke von Josef Thorak etwa sollten möglichst gar nicht, zumindest aber unter gleichzeitiger Entgegennahme einer zeitgeschichtlichen Erläuterung, angesehen werden. Nun geht es an die Musik. Der Tiroler Standschützenmarsch soll nicht mehr gespielt werden, da sein Komponist Sepp Tanzer in die Melodie verbotenes Gedankengut eingearbeitet hat. Selbst der Rainer-Marsch wird in Frage gestellt und viele andere Märsche sowieso. Natürlich auch die Stücke von Tobi Reiser. Dieser musikbegabte Pongauer Fleischergeselle hat sich in den Notjahren seiner Jugend politisch falsch orientiert und gehört dafür mit dem Verbot seiner Melodien bestraft. - Ja Himmelherrgott - lasst unsere Musikanten doch spielen, was ihnen und ihren Zuhörern gefällt! Erspart ihnen politische Belehrungen und redet nicht von Toleranz und kultureller Vielfalt, wenn dies nach Heuchelei klingt. Denn Heuchelei schadet unserer Gesellschaft mehr als zackige Märsche und Lieder.