Leserbrief

Wenn Regelbrecher Toleranz fordern

Vorneweg: Ich bin Radfahrer und Fußgänger, und ich bin oft genug Radfahrern auf Gehsteigen und Gehwegen und Fußgängern auf Radwegen begegnet. Vor Kurzem hatte ich wieder einmal die Chance auf ein Gespräch. Rechtes Salzachufer beim Mozartsteg, wo die beiden Wege enorme 50 bis 100 Zentimeter voneinander entfernt sind. Zwei wohl in den Zwanzigern befindliche Männer brauchen mehr als die Hälfte des Radwegs, tief in ein Gespräch vertieft. Als ich sie aus jenem herausreiße, meint einer, ich solle mich entspannen, das sei doch nicht schlimm, Toleranz wäre gefragt. (Toll, dass oft die Regelbrecher Toleranz einfordern.) Ich frage mich, ob bei mir etwas falsch läuft.

Den Vogel hat aber eine Autofahrerin vor Wochen abgeschossen: Ich bin knapp fünf Meter von einem Zebrastreifen entfernt, gut zu sehen, etwa 50 Meter vor dem Zebrastreifen ein Auto.

Den Vertrauensgrundsatz im Hinterkopf gehe ich weiter, ohne Blickkontakt zu suchen, aus den Augenwinkeln beobachte ich das Auto, das unvermindert weiterfährt. Ich bin knapp in der Mitte des Zebrastreifens, das Auto etwa fünf Meter von mir entfernt, schnell, dann stoppt es abrupt.

Ich wende den Kopf. Eine Frau lächelt mich an, ich bleibe stehen, huldvoll, gnädig winkt sie mit der linken Hand. Sie wirkt verärgert, gestresst? In der linken Hand ein Handy. Wie kann man auch ohne Handy Auto fahren, oder?

Und ich frage mich, ob bei mir etwas falsch läuft, wenn ich mich frage, ob bei mir etwas falsch läuft.

Gerhard Grabner, 5020 Salzburg

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